Letzte Heißmangel macht Schluss
Günther und Inge Mende geben ihre Mangelstube in Elsfleth am 16. Dezember auf
Günther Mende hat das Herz am rechten Fleck. Wer die Heißmangel an der Henriettenstraße betritt, kann sich auf einen kurzen Schnack mit dem gebürtigen Elsflether freuen. Es geht dabei um Land und Leute, um das Leben im Allgemeinen und mittlerweile auch um den Ruhestand von Günther und seiner Frau Inge, die seit 61 Jahren verheiratet sind. Witze auf Plattdeutsch erzählt der 82-Jährige seinen Kunden schon immer gern. Das macht die Atmosphäre in der Heißmangel in Elsfleth (Landkreis Wesermarsch) zusätzlich so familiär.
Ihren Arbeitsplatz haben sich die beiden 82-Jährigen behaglich eingerichtet. Kinder und Enkelkinder lächeln auf Fotos, Blumen und Pflanzen stehen dekorativ auf Borten. Dazu bergen mehrere Bilderrahmen mit Postkarten und Abbildungen einen Fundus an Elsflether Geschichten. Mitten im Raum allerdings steht ein weiterer Schatz: eine Bügelmaschine der Firma Voss aus dem Jahr 1953. Seine „Amanda“sei die einzige, die in Elsfleth existiere, scherzt der Inhaber. Von dieser Bügelmaschine werden sich Günther und Inge Mende nun allerdings am 16. Dezember trennen müssen. Die beiden geben dann ihr Geschäft auf. „Einen Nachfolger haben wir nicht gefunden“, erzählt Günther Mende.
Zeitenwende Alles hat seine Zeit. „Wir haben hier so viel Spaß gehabt“, erzählt der 82-Jährige. Mit der Heißmangel begonnen hatten die Eheleute vor 22 Jahren. „Das war Tieslers Gründerhaus“, weiß Günther Mende. Die Scheune ist 1886 gebaut worden. Nachdem sie die Räumlichkeiten an der Henriettenstraße gekauft hatten, mussten sie lernen, wie man mangelt. Die Arbeit beherrschen Günther und Inge Mende perfekt. Bei einem Kundenauftrag zeigen sie, wie es gemacht wird. Eine weiße, bestickte Tischdecke wird von der großen, stoffbespannten Rolle der Voss-Bügelmaschine eingezogen. Günther und Inge Mende achten dabei darauf, dass der Stoff gleichmäßig gemangelt wird. In einem Arbeitsgang wird die Tischdecke geglättet. Nur das Zusammenlegen erfolgt per Hand.
Chronik2des2Tages An diesem Tag ist weniger zu tun. „Das Geschäft läuft gut. Die Kunden gehen vorbei“, meint Günther Mende scherzhaft und erwähnt, dass die Arbeit in den zurückliegenden Jahren weniger geworden ist. Dafür hat man jetzt mehr Zeit für Geschichten. Und zum Betrachten der vielen Ansichtskarten mit Motiven des alten Bahnhofs und der Seefahrtschule sowie der alten Kogge am Rathausplatz.
Ein etwas vergilbtes Titelblatt einer Zeitung hat Günther Mende eingerahmt. Es ist eine Ausgabe vom 27. Februar 1930 der „Nachrichten für Stadt und Amt Elsfleth“. In der Rubrik „Chronik des Tages“ist unter anderem zu lesen, dass der Dampfer „Europa“seine Meilenfahrten an der norwegischen Küste begonnen hat. Interessant ist auch, dass Berlins Hebamme, Frau Emma Paulini, die 7000 Berlinern bei ihrem Eintritt in die Welt zu Hilfe kam, als 75-Jährige ihr 50-jähriges Berufsjubiläum feierte. Sie hatte ebenfalls ihr Herz am rechten Fleck.
Betagte2Maschine Das Herzstück der Heißmangel ist die betagte Maschine, die nun 68 Jahre auf dem Buckel hat. „Meine Amanda muss geölt werden“, sagt Günther Mende und lächelt verschmitzt. Ein Ölwechsel steht oft an. Denn: „Wenn die Maschine ordentlich geölt ist, passiert auch nichts“, weiß er.
Nun muss er sie bald hergeben. Und daher sei es betrüblich, wenn sie nach der Geschäftsaufgabe verschrottet würde. Die Maschine habe in ihrem Leben Unmengen an Wäsche auch für Seeleute gemangelt. Einen Verbleib im Museum wünscht er sich deshalb für die betagte Bügelmaschine, auf die man sich stets verlassen konnte – wie auf Günther und Inge Mende, die immer für ihre Kunden da waren.