Was macht Ampel aus „Agrarfrieden“?
Vielfältige Forderungen an künftige Koalition zu Ernährung und Landwirtschaft
Wenn SPD, FDP und Grüne in ihren Verhandlungen für eine Ampel-Koalition vorankommen, ist auf einem lange umkämpften Feld ein Umbruch schon mal sicher: Landwirtschaft und Ernährung gehen nach 16 Jahren in Folge mit Ministern und Ministerinnen der Union in der künftigen Bundesregierung in neue Hände. Doch was bringt das für die Bauern, die unter Kostendruck stehen? Und was für Millionen Supermarktkunden etwa bei Preisen und einer gesünderen Ernährung?
WenigerNZuckerNundNFett
„Unser Essen muss gesünder und nachhaltiger werden“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. „Die Landwirtschaft ist ein bedeutender Verursacher von Treibhausgasen, und ungesundes Essen verursacht jedes Jahr Milliardenkosten für das Gesundheitssystem.“Eine Ampel-Koalition sollte daher eine „echte Ernährungswende“einleiten. Konkret solle etwa die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse weiter reduziert werden. Nötig sei auch eine ambitioniertere Strategie für weniger Zucker, Salz und Fett.
Die Deutsche AdipositasGesellschaft gab den Verhandlern gerade mit auf den Weg, „die gesunde Wahl endlich zur einfachen Wahl“zu machen. Dafür solle unter anderem das Nährwert-Logo Nutri-Score EU-weit verbindlich werden.
Neben neuen Regeln geht es aber auch um praktische Veränderungen in der Kette von den Bauern über Verarbeiter bis zum Handel. Und da steht die Debatte bereits nicht mehr komplett bei Null. Denn kurz vor der Bundestagswahl kam ziemlich überraschend eine Art Agrarfrieden zustande – in einer Kommission, die noch das Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingesetzt hatte. Ihr gehörten Vertreter von Ernährungsbranche und Bauern, Naturund Verbraucherschützern, Handel und Wissenschaft an.
Die Beteiligten wollen an diesen Konsens nun auch anknüpfen. In einer ungewöhnlichen Allianz trommelten Landwirtschafts- und Umweltverbände schon zu den Ampel-Sondierungen dafür, die geeinten Vorschläge der Kommission umzusetzen. Die sehen einen Umbau des Agrarund Ernährungssystems als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“vor, verbunden mit Milliarden-Investitionen: etwa für mehr Ökolandbau, Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, für bessere Ställe. Modelle zur Finanzierung liegen auf dem Tisch, etwa eine Tierwohlabgabe oder eine Mehrwertsteuererhöhung für tierische Produkte. Denkbar wären nach Vorschlägen einer anderen Kommission 40 Cent mehr pro Kilo Fleisch.
NaturverträglicherNPfad
SPD, FDP und Grüne kündigten vorerst allgemein an, Landwirte dabei zu unterstützen, „einen nachhaltigen, umweltund naturverträglichen Pfad einzuschlagen“. Ziel sei aber zugleich, ihnen „ein langfristig auskömmliches Einkommen“zu sichern.
Bauernpräsident Joachim Rukwied verlangte nach den Sondierungen: „Entscheidend ist, eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie herzustellen.“Einen Umbau der Tierhaltung forderten die Landwirte auch, die Finanzierung sei aber sicherzustellen.