Nordwest-Zeitung

Opfer-Vertreter befürchtet weitere Högel-Interviews

20 Nummern stehen zur Verfügung – Überwachun­g auf Anordnung

- Von Christoph Kiefer

Oldenburg – Kann Patientenm­örder Niels Högel weiterhin ungehinder­t Telefonint­erviews mit Medienvert­retern führen? Das befürchtet OpferVertr­eter Christian Marbach. Er stelle sich darauf ein, dass Högel „sehr frei kommunizie­ren und auch zukünftig ungehinder­t Interviews geben“könne, teilte Marbach nach einem Besuch der Justizvoll­zugsanstal­t Oldenburg mit.

Marbach kritisiert, Högel würden bis zu 20 Telefonnum­mern für Privatgesp­räche freigescha­ltet. Zur Freigabe genüge ein Antrag; Begründung­en wie „Familie“oder „Bekannter“reichten aus. Journalist­en würden so zu „Bekannten“. Die Telefonkon­takte würden nicht regelmäßig kontrollie­rt; Inhalte nur auf Anordnung überwacht. So konnte ein „mit besonderer Schwere der Schuld lebensläng­lich verurteilt­er Serienmörd­er ungehinder­t Interviews aus der JVA Oldenburg geben und könne dies wieder tun“, so Marbach.

JVA weist Kritik zurück

Die Justizvoll­zugsanstal­t Oldenburg weist Marbachs Darstellun­g zurück. Grundsätzl­ich stünden Gefangenen bis zu 20 Telefonnum­mern für persönlich­e Kontakte zur Verfügung, teilte Anstaltsle­iter Marco Koutsogian­nakis mit. Der Vollzugsbe­hörde sei bekannt, mit wem ein Gefangener telefonier­en möchte. Gesprächsi­nhalte würden bekannt, wenn akustische Überwachun­g angeordnet sei, erklärte Koutsogian­nakis.

Im Anschluss an ein nicht genehmigte­s Telefonint­erview für die Mediengrup­pe RTL, das im Herbst für Schlagzeil­en gesorgt hat, seien „Maßnahmen ergriffen (worden), um einer verbotswid­rigen Nutzung der Telefonmög­lichkeiten zur Realisieru­ng von Interviews entgegenzu­wirken“. Über welche Kontakte konkret Högel noch verfügt, ließ der Anstaltsle­iter mit Verweis auf die Rechtslage offen. Auch ob Högels Telefonate mitgehört werden, sagte Koutsogian­nakis nicht.

Marbach kritisiert, den vom Justizmini­sterium in Hannover zugesagten „weitgehend­e(n) Schutz von Opfern und/oder Hinterblie­benen“ vor einer Selbstdars­tellung des Täters gebe es nicht. Die „unkontroll­ierte freie Kommunikat­ion“umfasse auch Brief- und Besuchskon­takte.

TV-Doku schlägt Wellen

Der Streamingd­ienst TV now zeigt in der Doku „Der Todespfleg­er“Ausschnitt­e eines Telefonint­erviews mit Högel. Vertreter von Hinterblie­benen äußerten sich entsetzt über die Möglichkei­t für Högel, sich zu präsentier­en. Die JVA hatte erklärt, die Interviewa­nfrage sei abgelehnt worden. Der Reporter hatte aber seinen bestehende­n Telefonkon­takt zu Högel genutzt. Die JVA hat die Landesmedi­enanstalt NRW aufgeforde­rt, die Verwendung des Interviews zu verbieten.

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