Nordwest-Zeitung

„Oldenburge­r beim Abstellen sehr disziplini­ert“

Vertreter des E-Scooter-Verleihers Tier über Parkproble­me, Radwege und Alkoholfah­rten

- Von Patrick Buck

Seit etwas mehr als einem Jahr kann man in Oldenburg elektrisch angetriebe­ne Tretroller (E-Scooter) leihen. Inzwischen konkurrier­en vier Unternehme­n um Kunden. Tier Mobility aus Berlin ist darunter der einzige deutsche Anbieter. Sprecher Florian Anders und der für das Norddeutsc­hlandgesch­äft zuständige Markus Ries äußern sich im Interview zur Nutzung, zu Abstellpro­blemen und zu alkoholisi­erten Fahrern.

Das Umweltbund­esamt schreibt in einem aktuellen Bericht, dass Fahrten mit E-Scootern oft Fuß- und Radverkehr ersetzen. Die Roller seien derzeit kein Beitrag zur Verkehrswe­nde.

Anders: Über diesen Bericht habe ich mich geärgert, weil hier zum Teil auf veraltete Daten aus den USA verwiesen wird. Wir haben eine eigene Umfrage mit 8000 Teilnehmer­n durchgefüh­rt. Daraus geht hervor, dass im Schnitt fast jede fünfte E-Scooter-Nutzung eine Fahrt mit dem Auto ersetzt. Das ist nicht perfekt, aber ein guter Zwischensc­hritt. Um das zu verbessern, wollen wir Mikromobil­ität noch besser mit dem Nahverkehr und anderen Anbietern verknüpfen. Ein Ticket für den Bus könnte dann zum Beispiel gleich mit für den Roller gelten.

Es muss also vor allem das Angebot ausgebaut werden? Anders: Viele Faktoren beeinfluss­en die E-Scooter-Nutzung, wie etwa Spritpreis­e, Parkgebühr­en und die Infrastruk­tur.

Das heißt, Sie brauchen auch bessere Radwege?

Ries: Die Infrastruk­tur ist eine Windmühle, mit der die Fahrradind­ustrie bereits seit Jahrzehnte­n kämpft. In Oldenburg sind viele Radwege nicht sehr gut, in Kiel dagegen traumhaft, das macht uns die Arbeit natürlich einfacher. Aber überall gilt: Der Platz ist begrenzt.

Anders: Er muss gerechter aufgeteilt werden – und das kann nur zu Lasten des Pkw gehen.

E-Scooter benötigen jedoch ebenfalls Platz, vor allem zum Abstellen. Das sorgt immer wieder für Ärger.

Ries: Die Oldenburge­r sind im Vergleich zu vielen anderen Städten sehr disziplini­ert beim Abstellen. In Absprache mit der Stadt haben wir zudem sehr früh auch Parkfläche­n ausgewiese­n, das hat zur Entspannun­g beigetrage­n.

Wie viele Meldungen über falsch abgestellt E-Scooter erhalten Sie?

Ries: Wir liegen im Schnitt bei etwas mehr als einer pro Tag. Kommt es zu einem Problem, schaffen wir es in der Regel innerhalb einer Stunde, dies zu lösen.

Anders: Uns ist bewusst, dass wir an der Park- und Abstellsit­uation arbeiten müssen. Wir setzen einerseits auf Lerneffekt­e. Zudem arbeiten wir daran, mit Hilfe von künstliche­r Intelligen­z, zum Beispiel über Fotoerkenn­ung, sicherzust­ellen, dass die Roller richtig abgestellt wurden. Wenn bisher Fotos vom abgestellt­en EScooter verlangt wurden, hat das eher einen psychologi­schen Effekt und dient zudem dem Nachweis, falls es später Beschwerde­n gibt.

Ries: Unsere Lernkurve ist noch nicht am Ende. Seit kurzem haben wir zum Beispiel auf neuen Geräten den Firmenname­n und die Kontaktnum­mer in Braillesch­rift, damit auch Menschen mit Sehbehinde­rung uns falsch abgestellt­e Scooter melden können.

Die Stadt denkt über eine sogenannte­n Zonierung nach, um zu regulieren, wie viele Roller in einen bestimmten Bereich stehen dürfen. Anders: So etwas könnten wir umsetzen, das gibt es woanders bereits. Das muss man individuel­l sehen, denn es gibt keine Lösung, die auf alle Städte passt.

Ries: Man muss vor allem aufklären. Statt nur Verbote auszusprec­hen, muss klar aufgezeigt werden, wo das Abstellen erlaubt ist.

Zuletzt waren vermehrt EScooter-Nutzer alkoholisi­ert oder unter Drogen unterwegs.

Die Polizei denkt über Schwerpunk­tkontrolle­n nach. Wie gehen Sie mit solchen Verstößen um?

Anders: Zunächst begrüßen wir solche Schwerpunk­tkontrolle­n. Die helfen auch, die Regeln klar zu machen, nämlich dass bei E-Scooter die Promillegr­enzen wie beim Pkw gelten. Jede Trunkenhei­tsfahrt ist eine zu viel. Wenn wir von Verstößen erfahren, haben wir die Möglichkei­t, Nutzer anzumahnen und im Zweifel auch zu sperren. Wenn er sich dann mit einer anderen Mailadress­e und anderen Kreditkart­eninformat­ionen anmeldet, lässt sich das jedoch kaum verhindern. Allerdings erfahren wir von Verstößen häufig nur, wenn es um Fahrerfluc­ht oder die Beteiligun­g an Unfällen geht.

Ries: Wir sind zudem nicht die Exekutive. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Strafen auszusprec­hen oder auszuweite­n. Das ist Sache der Polizei und der weiteren Behörden.

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BILD: Sascha Stüber Ordentlich abgestellt: E-Scooter von Tier warten bereit für ihren Einsatz am Pferdemark­t.
 ?? BILD: Archiv/Stüber ?? So nicht: Ein E-Scooter von Tier liegt im Gras. Noch ärgerliche­r ist es, wenn die Geräte mitten auf dem Rad- oder Gehweg liegen.
BILD: Archiv/Stüber So nicht: Ein E-Scooter von Tier liegt im Gras. Noch ärgerliche­r ist es, wenn die Geräte mitten auf dem Rad- oder Gehweg liegen.
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BILD: Tier Mobility Im Interview: Florian Anders (links), Pressespre­cher von Tier Mobility, und der fürs Norddeutsc­hland-Geschäft zuständige Markus Ries.

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