„Oldenburger beim Abstellen sehr diszipliniert“
Vertreter des E-Scooter-Verleihers Tier über Parkprobleme, Radwege und Alkoholfahrten
Seit etwas mehr als einem Jahr kann man in Oldenburg elektrisch angetriebene Tretroller (E-Scooter) leihen. Inzwischen konkurrieren vier Unternehmen um Kunden. Tier Mobility aus Berlin ist darunter der einzige deutsche Anbieter. Sprecher Florian Anders und der für das Norddeutschlandgeschäft zuständige Markus Ries äußern sich im Interview zur Nutzung, zu Abstellproblemen und zu alkoholisierten Fahrern.
Das Umweltbundesamt schreibt in einem aktuellen Bericht, dass Fahrten mit E-Scootern oft Fuß- und Radverkehr ersetzen. Die Roller seien derzeit kein Beitrag zur Verkehrswende.
Anders: Über diesen Bericht habe ich mich geärgert, weil hier zum Teil auf veraltete Daten aus den USA verwiesen wird. Wir haben eine eigene Umfrage mit 8000 Teilnehmern durchgeführt. Daraus geht hervor, dass im Schnitt fast jede fünfte E-Scooter-Nutzung eine Fahrt mit dem Auto ersetzt. Das ist nicht perfekt, aber ein guter Zwischenschritt. Um das zu verbessern, wollen wir Mikromobilität noch besser mit dem Nahverkehr und anderen Anbietern verknüpfen. Ein Ticket für den Bus könnte dann zum Beispiel gleich mit für den Roller gelten.
Es muss also vor allem das Angebot ausgebaut werden? Anders: Viele Faktoren beeinflussen die E-Scooter-Nutzung, wie etwa Spritpreise, Parkgebühren und die Infrastruktur.
Das heißt, Sie brauchen auch bessere Radwege?
Ries: Die Infrastruktur ist eine Windmühle, mit der die Fahrradindustrie bereits seit Jahrzehnten kämpft. In Oldenburg sind viele Radwege nicht sehr gut, in Kiel dagegen traumhaft, das macht uns die Arbeit natürlich einfacher. Aber überall gilt: Der Platz ist begrenzt.
Anders: Er muss gerechter aufgeteilt werden – und das kann nur zu Lasten des Pkw gehen.
E-Scooter benötigen jedoch ebenfalls Platz, vor allem zum Abstellen. Das sorgt immer wieder für Ärger.
Ries: Die Oldenburger sind im Vergleich zu vielen anderen Städten sehr diszipliniert beim Abstellen. In Absprache mit der Stadt haben wir zudem sehr früh auch Parkflächen ausgewiesen, das hat zur Entspannung beigetragen.
Wie viele Meldungen über falsch abgestellt E-Scooter erhalten Sie?
Ries: Wir liegen im Schnitt bei etwas mehr als einer pro Tag. Kommt es zu einem Problem, schaffen wir es in der Regel innerhalb einer Stunde, dies zu lösen.
Anders: Uns ist bewusst, dass wir an der Park- und Abstellsituation arbeiten müssen. Wir setzen einerseits auf Lerneffekte. Zudem arbeiten wir daran, mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, zum Beispiel über Fotoerkennung, sicherzustellen, dass die Roller richtig abgestellt wurden. Wenn bisher Fotos vom abgestellten EScooter verlangt wurden, hat das eher einen psychologischen Effekt und dient zudem dem Nachweis, falls es später Beschwerden gibt.
Ries: Unsere Lernkurve ist noch nicht am Ende. Seit kurzem haben wir zum Beispiel auf neuen Geräten den Firmennamen und die Kontaktnummer in Brailleschrift, damit auch Menschen mit Sehbehinderung uns falsch abgestellte Scooter melden können.
Die Stadt denkt über eine sogenannten Zonierung nach, um zu regulieren, wie viele Roller in einen bestimmten Bereich stehen dürfen. Anders: So etwas könnten wir umsetzen, das gibt es woanders bereits. Das muss man individuell sehen, denn es gibt keine Lösung, die auf alle Städte passt.
Ries: Man muss vor allem aufklären. Statt nur Verbote auszusprechen, muss klar aufgezeigt werden, wo das Abstellen erlaubt ist.
Zuletzt waren vermehrt EScooter-Nutzer alkoholisiert oder unter Drogen unterwegs.
Die Polizei denkt über Schwerpunktkontrollen nach. Wie gehen Sie mit solchen Verstößen um?
Anders: Zunächst begrüßen wir solche Schwerpunktkontrollen. Die helfen auch, die Regeln klar zu machen, nämlich dass bei E-Scooter die Promillegrenzen wie beim Pkw gelten. Jede Trunkenheitsfahrt ist eine zu viel. Wenn wir von Verstößen erfahren, haben wir die Möglichkeit, Nutzer anzumahnen und im Zweifel auch zu sperren. Wenn er sich dann mit einer anderen Mailadresse und anderen Kreditkarteninformationen anmeldet, lässt sich das jedoch kaum verhindern. Allerdings erfahren wir von Verstößen häufig nur, wenn es um Fahrerflucht oder die Beteiligung an Unfällen geht.
Ries: Wir sind zudem nicht die Exekutive. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Strafen auszusprechen oder auszuweiten. Das ist Sache der Polizei und der weiteren Behörden.