Lehrer aus Nazi-Zeit auch an Cäcilienschule
Ex-Staatsanwältin Marie-Luise Schmidt erinnert sich an ihre Schulzeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg
Oldenburg – Der Schulbesuch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war für die Kinder ein Schritt zurück in die Normalität, lange ersehnt. Für manche setzte sich allerdings das Martyrium, das sie zuvor erlitten hatten, fort. Dieter Vogt (80) hat seine Erlebnisse mit Lehrern von der Hindenburgschule, die ihre nationalsozialistische menschenverachtende Gesinnung nicht abgelegt hatten, in seinem Buch „Erinnerungen aus acht Jahrzehnten“beschrieben – und damit eine intensive öffentliche Debatte ausgelöst, in der sich viele zu Wort melden. Darunter auch Marie-Luise Schmidt, die den Blick auf die benachbarte Cäcilienschule lenkt.
Herrliche Zeit zu Ende
Sie schreibt: „1952 musste ich mit anderen Klassenkameradinnen von der Liebfrauenschule, wo wir eine herrliche Zeit verbracht hatten, zur Cäcilienschule wechseln, um dort das Abitur zu machen. Wir waren nicht willkommen, weil die Liebfrauenschule eine vormals starke Konkurrenz war. Frau Meinhof, Lehrerin der Cäcilienschule und evangelisch, Dr. Debes, Direktor der Hindenburgschule und evangelisch, Dr. Koch, Präsident des OLG Oldenburg, evangelisch,
Die Cäcilienschule heute: Die Erinnerungen von Marie-Luise Schmidt an ihre Schulzeit reichen 70 Jahre zurück.
hatten die Unverfrorenheit begangen, ihre Töchter in die ,Nonnenschule’ zu schicken. Die zwei Töchter mussten mit mir wechseln – Meinhof und Debes. Ingrid Debes blieb relativ ungeschoren, ihr Vater war ja auch Vorsitzender des Oldenburger
Philologenvereins und Direktor der Nachbarschule. Ulrike Meinhof wurde dem hauswirtschaftlichen Zweig zugeteilt mit der Behauptung, im wissenschaftlichen Bereich seien alle Plätze besetzt. (...) Die Behauptung
stimmte nicht, denn ich wurde nach Ulrike angemeldet. Ich kam ohne weiteres in den wissenschaftlichen Zweig. Unsere Lehrer, Dr. Oetken, Frau Wulff und Frau Jaenke waren unerträglich. Oetken und Wulff waren überzeugte
Als Abiturientin im Jahr 1955: Marie-Luise Schmidt
Marie-Luise Schmidt legte 1955 ihr Abitur an der Cäcilienschule ab.
Nazis und nach einem vorübergehenden Rausschmiss wegen Lehrermangels wiedergeholt worden. (...)“
Frau Wulff bezichtigte Marie-Luise Schmidt von ihrer Sitznachbarin Almut abgeschrieben zu haben, was nachweislich nicht stimmte. Almuts Vater war ein Nazi, Marie-Luise Schmidt zog wohl auch deshalb in der Auseinandersetzung den kürzeren.
Schlechte Erinnerungen
Auch an ihren Englischlehrer, Herrn Oetken, hat sie schlechte Erinnerungen: „Anschließend sollten wir einen Aufsatz über das Rassenproblem schreiben. (...) Ich schrieb, dass ich die Frage nicht verstehen und nicht adaptieren könne, denn für mich gäbe es kein Rassenproblem. Entscheidend sei der Charakter, nicht die Hautfarbe eines Menschen. Kein Mensch könne sich aussuchen, ob er mit weißer Hautfarbe und hellen Augen, blonden Haaren, oder mit brauner Hautfarbe, dunklen Augen und dunklen Haaren oder als Chinese auf die Welt komme. Folglich könne ich den erforderten Aufsatz nicht schreiben. Gegen die 5 für diese Arbeit (in der Nacherzählung war kein Fehler und alles korrekt) konnte ich nichts unternehmen. Fortan konnte ich machen, was ich wollte, alles war falsch und die nächste Zeugnisnummer war eine 4 mit dem Kommentar; ich hätte Ihnen ja gerne eine 5 gegeben, aber das hätte ich vor der Zeugniskommission rechtfertigen müssen (weil ich vorher eine 2 hatte) und das kann ich nicht.“