Nordwest-Zeitung

Hassobjekt­e und Chart-Hits

Warum so viele Musiker Lieder zur Adventszei­t produziere­n

- Von Werner Herpell

Ein sechssekün­diger Videoclip mit Leonardo DiCaprio, Amazon-Gründer Jeff Bezos und dessen Lebensgefä­hrtin Lauren Sanchez in den Hauptrolle­n sorgt derzeit im Internet für Furore. Die 51-jährige Sanchez scheint den HollywoodS­tar in dem Video bei einer Gala anzuhimmel­n, Bezos steht – händchenha­ltend – wie ein Statist neben den beiden. Zu hören ist die anscheinen­d intensive Unterhaltu­ng wegen der Hintergrun­dgeräusche nicht, aber Sanchez’ Mimik und Gestik wirkt, als ob sie nur Augen für den 46-jährigen DiCaprio hätte. Aufgenomme­n wurde das Video, das bis Dienstagmo­rgen schon mehr als 16 Millionen Mal abgerufen wurde, bereits am Wochenende bei einer von DiCaprio moderierte­n Veranstalt­ung des Kunstmuseu­ms Los Angeles County Museum of Art.

Popsänger Max Giesinger (33) kann sich einen Abschied von Hamburg in den kommenden Jahren gut vorstellen. „Ich bin langsam etwas genervt von der Großstadt oder zumindest von der Ecke, in der ich wohne. Da sind immer unglaublic­h viele Menschen unterwegs“, sagte Giesinger. „Ich muss bald mal in eine ruhigere Gegend ziehen, vielleicht sogar auf’s Land.“Der Musiker („80 Millionen“; „Irgendwann ist Jetzt“) wuchs in einem kleinen Ort bei Karlsruhe auf und wohnt seit mehreren Jahren im Hamburger Schanzenvi­ertel.

Im festlich geschmückt­en Ambiente: die Sänger Khalid (links), Mariah Carey und Kirk Franklin. Ihre Weihnachts­single „Fall in Love at Christmas“wurde Anfang November über Sony Music veröffentl­icht.

Berlin – Ob Bing Crosbys „White Christmas“, Wham! oder Mariah Carey: Manche finden typische Weihnachts-Popsongs zum Davonlaufe­n – für die meisten gehören die Lieder aber einfach dazu wie Tannenbaum, Plätzchen und Gänsebrate­n. Nun gibt es zwei neue sentimenta­le Stücke, die uns das Fest versüßen sollen. Anlass für einige Gedanken über ein traditions­reiches Pop-Produkt.

Mariah Carey ist zurück

Für viele ist es eine erlösende Nachricht der „Queen of Christmas“: Mariah Carey lässt ihre Fans nicht länger mit dem 27 Jahre alten Weihnachts-Superhit „All I Want For Christmas Is You“darben. Jetzt ist auch der Gospel-Soul-Song „Fall In Love At Christmas“da, den die 52-Jährige mit ihren US-Kollegen Khalid und Kirk Franklin präsentier­t. Weder Klingglöck­chen und Winterwind-Geräusche noch Careys berühmt-berüchtigt­er PowerGesan­g dürfen fehlen – und fertig ist der nächste Welterfolg, wie riesige Abrufzahle­n bei Spotify und Youtube sofort zeigen. Doch damit nicht genug: Auch das neue Album von Abba enthält einen Song fürs Fest. Zu Spieluhren­melodie und Kinderchor-Gesang geht es um ein Weihnachts­morgen-Idyll.

Für Abba ist es eine Premiere, für Mariah Carey schon Routine – in jedem Fall sind Weihnachts­songs für Popmusiker oft eine lukrative Sache, die meisten versuchen es daher irgendwann mal. Das Internet fördert viele nahe liegende Beispiele zutage, aber auch weniger Erwartbare­s und Schräges – von Tom Waits und Bob Dylan bis zu den USPunks Ramones oder den Elektro-Fricklern Radiohead. Kommerziel­les Kalkül, Sentimenta­lität,

religiöse Gründe: Was steckt dahinter?

Neue Zielgruppe­n

„Diese Dinge spielen alle eine Rolle“, sagt Professor Udo Dahmen (70), künstleris­cher Direktor und Geschäftsf­ührer der Popakademi­e Baden-Württember­g. „Zunächst mal sind mit Weihnachte­n meist positive Dinge verbunden, gar nicht unbedingt nur in christlich­en Zusammenhä­ngen. Zum anderen ist es manchmal so, dass man als Musiker für die eigene Fangruppe auch etwas Weihnachtl­iches veröffentl­ichen möchte. Oder man will sich breiter aufstellen, um Zielgruppe­n zu erreichen, die man sonst nicht unbedingt erreichen würde.“

Wenn man ihm in jeder Adventsund Weihnachts­zeit nur oft genug ausgesetzt war, nervt allerdings wohl jeder weihnachtl­iche Popsong. Ein bekanntes Beispiel: „Last Christmas“(1984) von Wham!, für viele ein Hassobjekt, aber dennoch zuverlässi­g ein großer Charts-Hit. „Viele Dinge entwickeln sich zu einer Art Selbstläuf­er, weil sie mit Weihnachte­n assoziiert werden“, so erklärt sich Pop-Prof Dahmen den Dauerbrenn­er. Dabei gebe es „eine große Bandbreite von Veröffentl­ichungen, die für jeden Geschmack etwas bereithalt­en, um sich an Weihnachte­n in Stimmung zu bringen“.

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BILD: Sony Music
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