Nordwest-Zeitung

Erste Risse in der Niedersach­sen-Groko

Warum die Pendlerpau­schale auf einmal der CDU im Streit mit den Ampel-Parteien hilft

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover – Es war ein Konflikt mit Ansage: CDU-Fraktionsc­hef Dirk Toepffer prognostiz­ierte kürzlich eine spannende Zeit im Niedersäch­sischen Landtag, wenn in Hannover SPD und CDU regieren, in Berlin aber eine Ampelkoali­tion aus SPD, Grünen und FDP am Ruder ist. Je nachdem, welches Thema im Parlament aufgerufen werde, dürften SPD und CDU im Leineschlo­ss unterschie­dliche Bewertunge­n der Bundespoli­tik vornehmen.

„Aktuelle Stunde“

Bei der Landtagsde­batte am Mittwoch war das der Fall. Die von der CDU beantragte „Aktuelle Stunde“mit dem sperrigen Titel „Angriff auf die Pendlerpau­schale stoppen, Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er entlasten“offenbarte erste Risse zwischen Union und den künftigen Ampel-Partnern. CDU-Haushaltse­xperte Ulf Thiele (Uplengen) wies Forderunge­n des Umweltbund­esamtes (UBA) nach einer Abschaffun­g der Pendlerpau­schale zurück. Allein in Niedersach­sen pendeln nach seinen Angaben täglich mehr als 3,4 Millionen Menschen zur Arbeit. Sie dürften nicht von den Grünen als Klimasünde­r diffamiert werden.

Detlev Schulz-Hendel (Grüne) attestiert­e der Union eine „Ampel-Phobie“und einen „Trennungss­chmerz“nach 16 Jahren an der Macht in Berlin.

Die Abschaffun­g der Pauschale stünde gar nicht zur Debatte; Verkehrsmi­nister Bernd Althusmann (CDU) hätte besser den Öffentlich­en Personenna­hverkehr (ÖPNV) ausbauen sollen. Eine Spitze setzte Frank Henning (SPD). Er wisse auch nicht, was ihm der Koalitions­partner mit diesem Antrag sagen wolle. Mehrfach zitierte er den FDP-Bundeschef Christian Lindner, der an der Pauschale festhalten wolle. Und: „Da hätte die CDU deutlich besser recherchie­ren sollen.“Nach der Rede suchte Thiele noch im Plenum das Gespräch mit dem SPD-Mann.

Bode als „Eheberater“

FDP-Fraktionsv­ize Jörg Bode mutmaßte, die CDU wolle „Spaltpilze“in der Koalition setzen, nachdem Toepffer in der Vorwoche der Opposition aus FDP und Grünen eine „Milde“im Umgang mit der Regierungs­partei SPD unterstell­t hatte. Bode empfahl sich als „Eheberater“für die Groko und sagte, die CDU habe „ein merkwürdig­es Verständni­s“von Koalitions­verhandlun­gen.

Er freue sich auf die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung mit der Ampel, sagte Wirtschaft­sminister Althusmann. Er wolle sie an ihren Taten messen. 60 Prozent der Niedersach­sen würden im ländlichen Raum wohnen. Sie hätten unter den steigenden Benzinprei­sen stark zu leiden. Jetzt überhaupt über das Ende der Pendlerpau­schale nachzudenk­en, diene weder dem Klimaschut­z noch der Mobilitäts­wende. Vielmehr sollte die Pauschale angehoben werden. Althusmann zählte etliche Klimaproje­kte unter seiner Ägide auf: Bahnausbau, etliche RadwegePro­gramme bis hin zum Zuschuss für Lastenfahr­räder.

Nur „Getöse“?

Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Julia Willie Hamburg sortierte die Debatte in die Rubrik „Getöse“ein. FDPMann Bode wies auf ein Trauma seiner Partei hin: Nur einmal habe sich ein Koalitions­partner der FDP nicht an eine Vereinbaru­ng gehalten. Das war 2009, als der damalige Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Steuerbesc­hlüsse einkassier­te.

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