Nordwest-Zeitung

Vom Nachkriegs­bau zum Vorzeigeha­us

Branche hat Nachhaltig­keitsprobl­em – Pioniere aus dem Nordwesten zeigen, wie es anders geht

- Von Svenja Fleig

Im Nordwesten – Ein Vorzeigeha­us wollten Anja und Johannes Schröck nie haben. Das hat nicht ganz funktionie­rt. Denn seit sie das Dachgescho­ss ihres Hauses in Hude durch einen Strohballe­nbau ersetzt haben, werden sie regelmäßig darauf angesproch­en. Aus dem Nachkriegs­bau hat Zimmermann Ole Brandorff ein Vorzeigeha­us gemacht. Er hat sich dem ökologisch­en Bauen verschrieb­en. Bei seiner Arbeit denke er an seine Kinder, sagt Brandorff. Sie sollen in einer intakten Umwelt aufwachsen können.

Bislang trägt der Bausektor wenig dazu bei, im Gegenteil: Er zählt zu den größten Treibern der Klimakrise. Fast 41 Prozent der deutschen Treibhausg­asemission­en gehen laut einer Studie der Prognos AG auf Gebäude zurück. Weltweit ist die Branche nach Schätzunge­n der UN für mehr als die Hälfte des Ressourcen­verbrauchs verantwort­lich.

Umso wichtiger werden nachwachse­nde Baustoffe. Und so führte der Weg zum Vorzeigeha­us in Hude über einen Acker in Ostfriesla­nd. Stroh ist in Deutschlan­d inzwischen als Baustoff zugelassen. Wird es fachgerech­t verbaut und verputzt, dann besitzt es gute Dämmeigens­chaften und entspricht den Brandschut­zrichtlini­en. Nur als tragende Elemente dürfen Strohballe­n nicht herhalten.

Vom Acker in die Wand

Ressourcen schonen

Die Schröcks zählen mit ihrem Haus zu den Vorreitern in Deutschlan­d. Bundesweit sind nach Schätzunge­n des Fachverban­ds für Strohballe­nbau erst 900 bis 1500 Gebäude mit Stroh gedämmt. Doch die Tendenz steigt. Denn der Baustoff wächst nicht nur nach, er hat auch den Vorteil, dass er einfach zu entsorgen ist.

Das ist nicht selbstvers­tändlich, wie Familie Schröck feststelle­n musste. Beim Abriss ihres alten Daches förderten die Arbeiter Glaswolle zutage, die als Sondermüll zu entsorgen war. Bei Bau- und Abrissarbe­iten fallen die meisdie

Johannes und Anja Schröck vor ihrem Vorzeigeha­us mit dem Dachgescho­ss in Strohbauwe­ise in Hude.

ten gefährlich­en Abfälle an. Von den 23,9 Millionen Tonnen, die das Statistisc­he Bundesamt 2019 erfasst hat, verursacht­e der Sektor 40 Prozent.

Mit Abriss und Neubau ist es oft nicht getan. Wenn es die Bausubstan­z zulässt, kann eine Sanierung sinnvoller fürs Klima sein. Christophe­r Barth

ist den Schritt mit seinem Oldenburge­r Stadthaus von 1938 bereits gegangen. Er habe schon mal von der Stange gebaut. Jetzt wolle er die Chance nutzen, um ökologisch zu sanieren, sagt Barth. Dahinter steckt auch der Wunsch nach gesundem Wohnen. Für Hero Janssen vom Büro concept 12

In der Werkstatt von Ole Brandorff wird das Stroh in Holzrahmen verdichtet und mit Lehm verputzt.

Christophe­r Barth (links) hat sein Haus in Oldenburg von Hero Janssen ökologisch sanieren lassen.

ist es nicht der erste Altbau, den er ökologisch saniert. „Die Gebäude von 1880 bis 1940 haben oft eine grundsolid­e Bausubstan­z“, sagt er. Mit seinem Geschäftsp­artner setzt Janssen auf Naturstoff­e. Eine solche Sanierung müsse nicht wesentlich teurer sein als eine konvention­elle, sagt er. „Weil

Systeme recht einfach sind.“Dennoch: Wer einen Altbau kaufen und umfassend sanieren möchte, muss Geld mitbringen. Üblicherwe­ise kommen die Hälfte bis drei Viertel des Kaufpreise­s hinzu.

Mut gehört dazu

Darüber hinaus gehört auch ein wenig Mut zum ökologisch­en Bauen, findet Zimmermann Ole Brandorff. Es brauche Menschen wie die Schröcks, die sich etwas trauten und so zu Vorreitern würden. Von seinen Baustellen habe er zwei Sätze verbannt: „Das haben wir schon immer so gemacht“und „Das haben wir aber noch nie gemacht“.

 ?? BILDer: Svenja Fleig ??
BILDer: Svenja Fleig
 ?? BILD: privat ??
BILD: privat
 ?? BILD: Svenja Fleig ??
BILD: Svenja Fleig

Newspapers in German

Newspapers from Germany