Nordwest-Zeitung

Bei der CDU klopft das Gestern an

- Von Alexander Will

Die CDU wollte sich nach der krachenden Wahlnieder­lage erneuern. Inzwischen ist dieses Vorhaben aber zu einem zähen Prozess geworden, der wunderlich­e Blüten treibt.

Das wurde am Donnerstag deutlich, als der geschäftsf­ührende Kanzleramt­sminister und Merkel-Vertraute Helge Braun bestätigte, dass er für den Parteivors­itz kandidiere­n will. Nun ist Kandidatur in einer demokratis­chen Partei das gute Recht jedes Mitglieds. Hier aber reibt der Beobachter sich dann doch verwundert die Augen: Da will ausgerechn­et ein Getreuer der Kanzlerin, jemand der eben jene Politik der CDU zu verantwort­en hat, für die sie vom Wähler abgestraft wurde, die Partei erneuern? Das klingt nach jenem ironischen Spruch aus der DDR: „Wir sind immer vorn, und wenn wir hinten sind, ist hinten vorn.“Die Merkel-Konservati­ven jedenfalls tun ihrer Partei schon mit der blanken Kandidatur eines Gestrigen keinen Gefallen. Glaubwürdi­g wird die versproche­ne personelle – vor allem aber inhaltlich­e – Erneuerung so nicht.

Der ironische Aspekt liegt nun in der Tatsache, dass ausgerechn­et der an Jahren nicht mehr ganz taufrische Friedrich Merz inhaltlich im Moment die glaubwürdi­gste Erneuerung verspricht. Die liegt eben auch in Rückkehr zu Bewährtem: zu Wirtschaft­skompetenz- und -liberalism­us, Leistungsg­erechtigke­it, solider Finanz- und Währungspo­litik, vernünftig­er Einwanderu­ngspolitik, einem distanzier­ten Verhältnis zu den politische­n Moden des Zeitgeiste­s. Das sind Stichworte und Werte, von denen sich die CDU so unnötig wie freiwillig während des Merkelismu­s verabschie­det hat.

Wenigstens konnte sie sich aber dazu durchringe­n, nun ihre Mitglieder zu befragen, welchen Kopf sie für welchen Kurs wollen. Das Ergebnis wird auch den Wähler wissen lassen, ob bei der CDU weiter hinten vorn ist oder auch nicht.

@ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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