Nordwest-Zeitung

Zeitdruck beim Zuschnitt

- Stefan Idel über die Kritik an der Einteilung der Wahlkreise zur Landtagswa­hl 2022

Den „Bläh-Bundestag“kennen wir schon. 736 Mandate wurden bei der Wahl im September vergeben. Ein neuer Rekord. Dagegen wirkt der Niedersäch­sische Landtag mit seinen 137 Abgeordnet­en eher schmächtig. Dafür taucht hier ein anderes Problem am Horizont auf: Der Zuschnitt der 87 Wahlkreise ist nach Ansicht der opposition­ellen FDP nicht mehr verfassung­skonform.

FDP-Fraktionsv­ize Jörg Bode hat sogar ein gravierend­es Legitimati­onsproblem ausgemacht. Mit anderen Worten: Ändert der Landtag das Wahlgesetz nicht, sei eine juristisch­e Anfechtung der Landtagswa­hl am 9. Oktober 2022 durchaus erfolgvers­prechend.

Schon seit mehr als einem Jahr weisen Landeswahl­leiterin Ulrike Sachs und der Gesetzgebu­ngsund Beratungsd­ienst des Landtags auf Probleme beim Zuschnitt der Wahlkreise hin. So haben Lüneburg und Osterholz die durchschni­ttliche Wählerzahl von 69 000 pro Wahlkreis um mehr als die rechtlich zulässigen 25 Prozent unterschri­tten. In Einbeck wird sie dagegen um das Quorum von 25 Prozent unterschri­tten. Die starke Abweichung könnte dazu führen, dass die Stimmen einzelner Wähler mehr Gewicht bekommen, argumentie­ren die Juristen. Der Grundsatz der Wahlgleich­heit geriete gehörig ins Wanken.

Die Bedenken der Landeswahl­leiterin

sind eine Steilvorla­ge für die FDP: Sie macht im Landtag den Vorschlag, noch vor der Wahl 2022 einzelne Kommunen zu „verschiebe­n“. So könnten beispielsw­eise die Samtgemein­den Ilmenau und Amelinghau­sen (Landkreis Lüneburg) in den Wahlkreis Soltau verschoben werden. Auch der Nordwesten ist betroffen: Großefehn (Kreis Aurich) sollte in den Wahlkreis 87 (Wittmund/Inseln) wechseln, schlagen die Liberalen vor.

Das Problem liegt wieder einmal bei der Groko, die sich nicht über die Neueinteil­ung einigen kann. Die SPD, die traditione­ll in Südnieders­achsen ihre Hochburgen hat, will dort keinen Wahlkreis abgeben. Die CDU möchte am liebsten im Norden des Landes einen zusätzlich­en Wahlkreis schaffen.

Die Zeit drängt. Spätestens im Dezember muss der Landtag nach Ansicht der FDP entscheide­n, weil die Parteien bereits Anfang des neuen Jahres ihre Kandidaten aufstellen. Es sei „keine Option“, dass man nichts tut, sagt Bode. Der Entwurf der FDP wurde in den Ausschuss verwiesen. Auch die Regierungs­fraktionen wollen in Kürze einen eigenen Vorschlag auf den Tisch legen, heißt es. Offiziell mag sich aber noch niemand äußern. Für einen „großen Wurf“fehlt den Abgeordnet­en vermutlich – wie in Berlin – der Mut.

@ Den Autor erreichen Sie unter Idel@infoautor.de

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