Zeitdruck beim Zuschnitt
Den „Bläh-Bundestag“kennen wir schon. 736 Mandate wurden bei der Wahl im September vergeben. Ein neuer Rekord. Dagegen wirkt der Niedersächsische Landtag mit seinen 137 Abgeordneten eher schmächtig. Dafür taucht hier ein anderes Problem am Horizont auf: Der Zuschnitt der 87 Wahlkreise ist nach Ansicht der oppositionellen FDP nicht mehr verfassungskonform.
FDP-Fraktionsvize Jörg Bode hat sogar ein gravierendes Legitimationsproblem ausgemacht. Mit anderen Worten: Ändert der Landtag das Wahlgesetz nicht, sei eine juristische Anfechtung der Landtagswahl am 9. Oktober 2022 durchaus erfolgversprechend.
Schon seit mehr als einem Jahr weisen Landeswahlleiterin Ulrike Sachs und der Gesetzgebungsund Beratungsdienst des Landtags auf Probleme beim Zuschnitt der Wahlkreise hin. So haben Lüneburg und Osterholz die durchschnittliche Wählerzahl von 69 000 pro Wahlkreis um mehr als die rechtlich zulässigen 25 Prozent unterschritten. In Einbeck wird sie dagegen um das Quorum von 25 Prozent unterschritten. Die starke Abweichung könnte dazu führen, dass die Stimmen einzelner Wähler mehr Gewicht bekommen, argumentieren die Juristen. Der Grundsatz der Wahlgleichheit geriete gehörig ins Wanken.
Die Bedenken der Landeswahlleiterin
sind eine Steilvorlage für die FDP: Sie macht im Landtag den Vorschlag, noch vor der Wahl 2022 einzelne Kommunen zu „verschieben“. So könnten beispielsweise die Samtgemeinden Ilmenau und Amelinghausen (Landkreis Lüneburg) in den Wahlkreis Soltau verschoben werden. Auch der Nordwesten ist betroffen: Großefehn (Kreis Aurich) sollte in den Wahlkreis 87 (Wittmund/Inseln) wechseln, schlagen die Liberalen vor.
Das Problem liegt wieder einmal bei der Groko, die sich nicht über die Neueinteilung einigen kann. Die SPD, die traditionell in Südniedersachsen ihre Hochburgen hat, will dort keinen Wahlkreis abgeben. Die CDU möchte am liebsten im Norden des Landes einen zusätzlichen Wahlkreis schaffen.
Die Zeit drängt. Spätestens im Dezember muss der Landtag nach Ansicht der FDP entscheiden, weil die Parteien bereits Anfang des neuen Jahres ihre Kandidaten aufstellen. Es sei „keine Option“, dass man nichts tut, sagt Bode. Der Entwurf der FDP wurde in den Ausschuss verwiesen. Auch die Regierungsfraktionen wollen in Kürze einen eigenen Vorschlag auf den Tisch legen, heißt es. Offiziell mag sich aber noch niemand äußern. Für einen „großen Wurf“fehlt den Abgeordneten vermutlich – wie in Berlin – der Mut.
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