Ungebetener Besuch aus der Stadt
Castle Freeman entführt in „Herren der Lage“erneut ins Ländliche
Krimis, die in US-ameri-kanischen Kleinstädten spielen, kommen gern ausgesprochen düster daher. Das hat zweifelsohne seinen Reiz, kann auf Dauer aber auch aufs Gemüt schlagen. Castle Freeman, Jahrgang 1944, siedelt seine Romane ebenfalls gern in der Provinz an, gönnt seinen zumeist schmalen Bänden aber eine erfreuliche Prise Humor. Nicht anders ist das in „Herren der Lage“, das vermeintlich schlichtere Menschen souverän in die überlegene Position rückt.
Auf der Suche
Im Mittelpunkt der gerade einmal 183 Seiten steht die Suche nach zwei jungen Leuten. Der rätselhafte Anwalt Carl Armentrout wurde von einem namenlosen Auftraggeber losgeschickt, um dessen
Castle Freeman
Tochter aufzuspüren, die sich offenbar mit einem männlichen Begleiter in den Wäldern in der Nähe des kleinen Orts Cardiff im US-Bundesstaat Vermont aufhalten soll.
Und mit dem Auftauchen des Städters auf dem Land beginnt ein einziger Schlamassel, denn je länger die Suche dauert und je näher das Aufspüren der Vermissten rückt, desto übler werden die Gestalten, die sich an der Aktion beteiligen. Und auch deren ruppige Methoden.
Mittendrin: Lucian Wing, Sheriff des Ortes, der sich nicht nur daranmacht, die Hintergründe auszuleuchten, sondern sich zusätzlich mit seiner cleveren und resoluten Ehefrau Clemmie und seinem eigentlich pensionierten, aber noch immer höchst umtriebigen Vorgänger Wingate auseinandersetzen muss.
Spannung und Humor
Warum folgt man all dem so gern? Ganz einfach: Castle Freeman strickt famose Dialoge, zeichnet präzise Charaktere und schafft eine wunderbare Mischung aus Spannung und Humor. Wie er in diesen höchst unterhaltsamen Mix auch noch ein für die Handlung höchst relevantes Wildschwein namens „Big John“einflechtet, ist meisterhaft.
„Herren der Lage“lässt sich als eigenständiges Werk lesen, wenngleich es in eine Reihe gehört. Lucian Wing nämlich trat schon in den Vorgängern „Auf die sanfte Tour“und „Der Klügere lädt nach“, zwei ebenfalls herrlich lakonisch erzählte Geschichten, beide zuerst bei „Nagel & Kimche“erschienen und inzwischen als Taschenbuch (dtv) erhältlich. Damit nicht genug: Auch „Männer mit Erfahrung“(Nagel & Kimche) erschien bereits auf Deutsch. Castle Freeman ist eine echte Entdeckung: Alle bis dato veröffentlichten Titel sind absolut lesenswert.