Nordwest-Zeitung

„Horrorvors­tellung für das Leben auf der Erde“

- Von Jan Drebes, Büro Berlin

Herr Höhne, sind Sie zufrieden mit dem Fortschrit­t bei der Klimakonfe­renz in Glasgow? Höhne: Diese Klimakonfe­renzen haben zwei Dinge, die wichtig sind: Der Abschlusst­ext, der zum jetzigen Zeitpunkt noch verhandelt wird, ist mit fast 200 beteiligte­n Staaten immer ein Kompromiss, der auch enttäusche­n wird. Aber immerhin haben viele Staaten neue Klimaschut­zziele vorgelegt, die beispielsw­eise im Fall Indiens enorm wichtig waren. Ebenso wichtig sind aber die Nebenabkom­men bei solchen Konferenze­n. Und bei denen hat es Fortschrit­te gegeben.

Über welche Abkommen haben Sie sich gefreut? Höhne: Jedes einzelne bringt uns nach vorn, etwa zum Waldschutz, zur Verringeru­ng des Methan-Ausstoßes, zu emissionsf­reien Fahrzeugen oder zur Verringeru­ng von Emissionen im Luftverkeh­r.

Die Umsetzung war bislang aber stets das Problem. Wie verbindlic­h sind solche Verabredun­gen überhaupt? Höhne: Die Staaten werden gedrängt, sich immer neue Maßnahmen zu überlegen und gehen das gemeinsam bei diesen Konferenze­n an. Es gibt auf vielen Feldern gewissen Gruppenzwa­ng, bringt also politisch immer etwas. Aber selbst wenn man alle Ziele, Maßnahmen und Nebenabkom­men zusammenre­chnet und für gesichert hält, gibt es nach wie vor eine riesige Lücke bis zum sogenannte­n 1,5-Grad-Pfad.

Muss also das Ziel langsam aufgegeben werden? Höhne: Angesichts dessen, dass wir bereits heute eine Erderwärmu­ng von 1,1 Grad erreicht

haben, wird es sehr schwierig. Für ausgeschlo­ssen halte ich es aber nicht, dass es noch zu machen ist. In diesem Tempo jedenfalls nicht. Mit allen bisherigen Zusagen werden wir bis Ende des Jahrhunder­ts bei 2,4 Grad Erwärmung landen. Eine Horrorvors­tellung für das Leben auf der Erde.

Die Ampel-Parteien verhandeln noch den Koalitions­vertrag, auch beim Thema Klimaschut­z. Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie bislang gehört haben? Höhne: Im Sondierung­spapier ist das 1,5-Grad-Ziel ganz vorn genannt. Das ist schon mal gut. Aber die jetzigen Klimaziele Deutschlan­ds reichen dafür noch nicht. Ich habe noch Hoffnung, glaube aber, dass die Dringlichk­eit noch nicht allen klar ist.

Wie meinen Sie das? Höhne: Deutschlan­d muss in den Klima-Notfallmod­us schalten. Die Klimakrise ist eine Bedrohung für unser Land, die noch viel ernster genommen werden muss. In einem solchen Notfallmod­us müssten alle Register gezogen werden. Klimaschut­z muss in Deutschlan­d viel radikaler werden.

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BILD: New-Climate-Institut

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