„Horrorvorstellung für das Leben auf der Erde“
Herr Höhne, sind Sie zufrieden mit dem Fortschritt bei der Klimakonferenz in Glasgow? Höhne: Diese Klimakonferenzen haben zwei Dinge, die wichtig sind: Der Abschlusstext, der zum jetzigen Zeitpunkt noch verhandelt wird, ist mit fast 200 beteiligten Staaten immer ein Kompromiss, der auch enttäuschen wird. Aber immerhin haben viele Staaten neue Klimaschutzziele vorgelegt, die beispielsweise im Fall Indiens enorm wichtig waren. Ebenso wichtig sind aber die Nebenabkommen bei solchen Konferenzen. Und bei denen hat es Fortschritte gegeben.
Über welche Abkommen haben Sie sich gefreut? Höhne: Jedes einzelne bringt uns nach vorn, etwa zum Waldschutz, zur Verringerung des Methan-Ausstoßes, zu emissionsfreien Fahrzeugen oder zur Verringerung von Emissionen im Luftverkehr.
Die Umsetzung war bislang aber stets das Problem. Wie verbindlich sind solche Verabredungen überhaupt? Höhne: Die Staaten werden gedrängt, sich immer neue Maßnahmen zu überlegen und gehen das gemeinsam bei diesen Konferenzen an. Es gibt auf vielen Feldern gewissen Gruppenzwang, bringt also politisch immer etwas. Aber selbst wenn man alle Ziele, Maßnahmen und Nebenabkommen zusammenrechnet und für gesichert hält, gibt es nach wie vor eine riesige Lücke bis zum sogenannten 1,5-Grad-Pfad.
Muss also das Ziel langsam aufgegeben werden? Höhne: Angesichts dessen, dass wir bereits heute eine Erderwärmung von 1,1 Grad erreicht
haben, wird es sehr schwierig. Für ausgeschlossen halte ich es aber nicht, dass es noch zu machen ist. In diesem Tempo jedenfalls nicht. Mit allen bisherigen Zusagen werden wir bis Ende des Jahrhunderts bei 2,4 Grad Erwärmung landen. Eine Horrorvorstellung für das Leben auf der Erde.
Die Ampel-Parteien verhandeln noch den Koalitionsvertrag, auch beim Thema Klimaschutz. Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie bislang gehört haben? Höhne: Im Sondierungspapier ist das 1,5-Grad-Ziel ganz vorn genannt. Das ist schon mal gut. Aber die jetzigen Klimaziele Deutschlands reichen dafür noch nicht. Ich habe noch Hoffnung, glaube aber, dass die Dringlichkeit noch nicht allen klar ist.
Wie meinen Sie das? Höhne: Deutschland muss in den Klima-Notfallmodus schalten. Die Klimakrise ist eine Bedrohung für unser Land, die noch viel ernster genommen werden muss. In einem solchen Notfallmodus müssten alle Register gezogen werden. Klimaschutz muss in Deutschland viel radikaler werden.