Quartett rückt dem Vorbild auf die Pelle
Fünf Künstler gehen für Schau „Janssen ANIMIERT“schonungslos mit dem Grafiker um
Oldenburg – Genie der Kunst und des Wahnsinns, Charmeur und Kotzbrocken: Horst Janssen war ein, wohlwollend gesagt, sperriger Zeitgenosse – Freunde und Geliebte, Wegbegleiter und Familienmitglieder schildern den großen Grafiker und Illustrator, der von 1929 bis 1995 lebte, in allen Facetten.
Noch bis zum 16. Januar 2022 zeigt das Horst-JanssenMuseum Oldenburg die Ausstellung „Janssen ANIMIERT“und hat dazu fünf Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich audiovisuell mit dem „Übermaler“auseinanderzusetzen. Das Ergebnis, die zweite Zusammenarbeit mit „Lines Fiction“, einer Onlineplattform für Zeichnung und Animation, kann sich sehenlassen. Es ist ein „Janssen 2.0“geworden – nach dem Motto „Same same but different“.
Die fünf Kreativen Petra Lottje, Aline Helmcke, Matthias Beckmann, Bettina Munk und Norbert Trummer leben und arbeiten in Berlin oder Wien, haben also die nötige
Distanz auf die Hamburger Schnöselei und Oldenburger Grünkohlseligkeit. Horst Janssen ist hier die künstlerische Klammer.
Ins Depot eingetaucht
Für die Sonderschau haben sie sich in seine Zeichnungen, Aquarelle und Radierungen vertieft, zum Teil auch im Grafikdepot des Museums. „Es ist eindrucksvoll zu sehen, welche Besonderheiten sie aufgespürt haben“, sagt Museumsleiterin Jutta Moster-Hoos. „Skurrile Motive und versponnene Geschichten, die frühe
Art Brut und den routinierten Stil des reifen Janssen.“
Bettina Munk zum Beispiel zeigt den Maler so schutz- wie schonungslos. Ein Schnappschuss eines öffentlichen Auftritts in den 1960er Jahren präsentiert Janssen samt großer Zahnlücke – alle Vorderzähne, bis auf die Eckzähne fehlen. Er trägt die Folgen einer Schlägerei als persönliches Statement. Munk stellt in ihrer Computeranimation „Zeige deine Wunde – nicht“das zahnlose Lachen in die Reihe der vielen Selbstbildnisse.
Matthias Beckmann wiederum ist seit jeher fasziniert von Janssens Leben: „wild, zärtlich, widerborstig und psychedelisch“. Etwa 2000 Zeichnungen sind in Beckmanns Animation „Jean Patou“als Material für die Bildfür-Bild-Montage eingegangen. „Jean Patou“ist eine kurze Erzählung Janssens, mit der er seine Mannheimer Rede anlässlich der Verleihung des Schillerpreises 1975 einleitete.
Streben zur Brust
Petra Lottjes Animation „Die Liebe zum Kopffüßler“ist die zeichnerische Reduktion, gerade so, wie Kinder malen, allerdings mit Witz und Pikanterie, betrachtet man Janssen, der zur Brust (der Mutter) strebt.
Norbert Trummer ist seit jeher beeindruckt von Horst Janssens Leichtigkeit als Zeichner und Grafiker. Das Kunstwort „blukralafiratin“für den Titel seines Animationsfilms setzt sich aus den Anfangssilben der verwendeten Motive zusammen: Blumen, Krähe, Langusten, Fisch, Ratten, Insekten.
Alina Helmcke hat sich die Radierungen aus der „Guten Morgen Mappe“von Horst Janssen von 1958 für ihre Geschichte „j. J. (junger Janssen)“vorgenommen. Sie erzählt mit bei Janssen gefundenen Bildelementen und in der Kombination aus gezeichneten und im Computer bewegten Bildern von der Beziehung Janssens zu seiner dritten Frau Verena von Bethmann-Hollweg.
Die Schau „Janssen ANIMIERT“ist im Horst-Janssen-Museum Oldenburg bis 16. Januar 2022 zu sehen. Der Eintritt ist frei. Geöffnet: Di.-So. 10-18 Uhr. Es gilt die 3 G-Regel.
@ horst-janssen-museum.de