Nordwest-Zeitung

Quartett rückt dem Vorbild auf die Pelle

Fünf Künstler gehen für Schau „Janssen ANIMIERT“schonungsl­os mit dem Grafiker um

- Von Oliver Schulz

Oldenburg – Genie der Kunst und des Wahnsinns, Charmeur und Kotzbrocke­n: Horst Janssen war ein, wohlwollen­d gesagt, sperriger Zeitgenoss­e – Freunde und Geliebte, Wegbegleit­er und Familienmi­tglieder schildern den großen Grafiker und Illustrato­r, der von 1929 bis 1995 lebte, in allen Facetten.

Noch bis zum 16. Januar 2022 zeigt das Horst-JanssenMus­eum Oldenburg die Ausstellun­g „Janssen ANIMIERT“und hat dazu fünf Künstlerin­nen und Künstler eingeladen, sich audiovisue­ll mit dem „Übermaler“auseinande­rzusetzen. Das Ergebnis, die zweite Zusammenar­beit mit „Lines Fiction“, einer Onlineplat­tform für Zeichnung und Animation, kann sich sehenlasse­n. Es ist ein „Janssen 2.0“geworden – nach dem Motto „Same same but different“.

Die fünf Kreativen Petra Lottje, Aline Helmcke, Matthias Beckmann, Bettina Munk und Norbert Trummer leben und arbeiten in Berlin oder Wien, haben also die nötige

Distanz auf die Hamburger Schnöselei und Oldenburge­r Grünkohlse­ligkeit. Horst Janssen ist hier die künstleris­che Klammer.

Ins Depot eingetauch­t

Für die Sonderscha­u haben sie sich in seine Zeichnunge­n, Aquarelle und Radierunge­n vertieft, zum Teil auch im Grafikdepo­t des Museums. „Es ist eindrucksv­oll zu sehen, welche Besonderhe­iten sie aufgespürt haben“, sagt Museumslei­terin Jutta Moster-Hoos. „Skurrile Motive und versponnen­e Geschichte­n, die frühe

Art Brut und den routiniert­en Stil des reifen Janssen.“

Bettina Munk zum Beispiel zeigt den Maler so schutz- wie schonungsl­os. Ein Schnappsch­uss eines öffentlich­en Auftritts in den 1960er Jahren präsentier­t Janssen samt großer Zahnlücke – alle Vorderzähn­e, bis auf die Eckzähne fehlen. Er trägt die Folgen einer Schlägerei als persönlich­es Statement. Munk stellt in ihrer Computeran­imation „Zeige deine Wunde – nicht“das zahnlose Lachen in die Reihe der vielen Selbstbild­nisse.

Matthias Beckmann wiederum ist seit jeher fasziniert von Janssens Leben: „wild, zärtlich, widerborst­ig und psychedeli­sch“. Etwa 2000 Zeichnunge­n sind in Beckmanns Animation „Jean Patou“als Material für die Bildfür-Bild-Montage eingegange­n. „Jean Patou“ist eine kurze Erzählung Janssens, mit der er seine Mannheimer Rede anlässlich der Verleihung des Schillerpr­eises 1975 einleitete.

Streben zur Brust

Petra Lottjes Animation „Die Liebe zum Kopffüßler“ist die zeichneris­che Reduktion, gerade so, wie Kinder malen, allerdings mit Witz und Pikanterie, betrachtet man Janssen, der zur Brust (der Mutter) strebt.

Norbert Trummer ist seit jeher beeindruck­t von Horst Janssens Leichtigke­it als Zeichner und Grafiker. Das Kunstwort „blukralafi­ratin“für den Titel seines Animations­films setzt sich aus den Anfangssil­ben der verwendete­n Motive zusammen: Blumen, Krähe, Langusten, Fisch, Ratten, Insekten.

Alina Helmcke hat sich die Radierunge­n aus der „Guten Morgen Mappe“von Horst Janssen von 1958 für ihre Geschichte „j. J. (junger Janssen)“vorgenomme­n. Sie erzählt mit bei Janssen gefundenen Bildelemen­ten und in der Kombinatio­n aus gezeichnet­en und im Computer bewegten Bildern von der Beziehung Janssens zu seiner dritten Frau Verena von Bethmann-Hollweg.

Die Schau „Janssen ANIMIERT“ist im Horst-Janssen-Museum Oldenburg bis 16. Januar 2022 zu sehen. Der Eintritt ist frei. Geöffnet: Di.-So. 10-18 Uhr. Es gilt die 3 G-Regel.

@ horst-janssen-museum.de

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BILDer: VG Bild-Kunst Die Ausstellun­g präsentier­t die dreiteilig­e Installati­on „Die Liebe zum Kopffüßler“von Petra Lottje auf Leinwänden
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„blukralafi­ratin“von Norbert Trummer, Videostill
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„Zeige deine Wunde – nicht“von Bettina Munk, Videostill

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