Nachbarn kümmerten sich um Tote
Bestattungskultur im Wandel der Zeit – Friedhof in Eversten erst ab 1878
Oldenburg – Die Inschrift auf dem Grabstein am Eingang zum Friedhof in Eversten wirkt ein wenig makaber: „Hier ruhet Gerh. Heinr. Middendorf geb. 20. Juni 1873 gest. 20. Sept. 1878. Selig sind die Todten die in dem Herrn sterben. Off. Joh. 14,13 Erste Leiche bei Einweihung des Kirchhofs 1878“– eine zweifelhafte Ehre, die dem gerade einmal fünf Jahre alten Jungen zuteil wurde, als er starb und beigesetzt wurde. Aber: Der Grabstein markiert einen Wendepunkt in der Geschichte Everstens, das damals zusammen mit den Bauerschaften Bloh, Petersfehn, Wechloy, Ofen, Metjendorf, Ofenerfeld, Nadorst, Etzhorn, Wahnbek, Donnerschwee, Ohmstede, Bornhorst und Moorhausen zur Landgemeinde Oldenburg gehörte.
Friedhof nur für Städter
1873 hatte die Stadt den Neuen Friedhof anlegen lassen mit der Vorgabe, dass Tote aus der Landgemeinde hier auf keinen Fall eine Ruhestätte erhalten dürften, sie mussten weiterhin auf dem GertrudenKirchhof beigesetzt werden. Der Weg aus dem damals spärlich und mit armen Moorkolonisten bewohnten Eversten war beschwerlich. Er führte über Wienstraße oder Eichenstraße/Blücherstraße, den Prinzessinweg zur Ofener Straße Richtung Stadt. „Da der Trauerzug die Stadttore nicht passieren durfte, ging der weitere Weg um die Stadt herum zum Neuen Haus an der Südseite des Pferdemarktes (Finanzamtsgelände). von dort wurde der Sarg von Eingesessenen aus Eversten über den auf der Westseite des Pferdemarktes verlaufenden Totenweg zum Gertruden Kirchhof getragen“, schreibt Georg Bre
dehorn in seinem im IsenseeVerlag erschienenen Geschichtsbuch „Eversten“. Ein vor allem im Winter sehr beschwerlicher weiter Weg.
Hektische Aktivitäten
Der Beschluss der Stadt zur Anlage des Neuen Friedhof, auf dem die Toten aus den Landgemeinden nicht beigesetzt werden sollten, führte bei der Kirchengemeinde Oldenburg zu hektischen Aktivitäten. Für die Anlegung eines Friedhofs kaufte die Kirche am 27. Juli 1877 der Landgemeinde ein Grundstück ab, das diese wiederum ein Jahr zuvor von Johann Gerhard Würdemann erworben hatte, der an der Hundsmühler Straße 30 wohnte. Schon bald reichte das Gelände nicht aus, 1916 wurden weitere Flächen hinzugekauft,
auf denen heute die Friedhofskapelle und das Gemeindehaus stehen.
Wie erwähnt, wurde der Tod von einem Nachbarn des Verstorbenen angesagt, der von Haus zu Haus und zu den Verwandten ging. Der Leichnam wurde in der Diele aufgebahrt, wo Abschied genommen werden konnte. Auch für die Einsargung und das Waschen und Ankleiden des Toten sorgten die Nachbarn. Dann kam der Pastor, es gab Suppe, Brot und Butterkuchen – den Leichenschmaus.
Die Familie Fliege von der Hauptstraße 52 hatte Anfang/ Mitte des vergangenen Jahrhunderts drei von Pferden gezogene Leichenwagen, die sich die Bestattungsunternehmer ausliehen. Einer dieser Wagen konnte umgebaut werden – zur Hochzeitskutsche.