Nordwest-Zeitung

X- und O-Beine sind sehr oft altersbedi­ngt

Je nach Schweregra­d kann auch eine Physiother­apie helfen

- Von Elena Zelle

Hamburg/Braunschwe­ig – OBeine wie ein Profi-Fußballer oder X-Beine: Viele Kinder haben Bein-Fehlstellu­ngen. Meistens verwächst sich das von allein. In manchen Fällen lohnt allerdings eine OP. Wie so oft stellen sich Eltern auch bei X- oder O-Beinen die Frage: Ist das noch „normal“oder Grund für einen Arztbesuch? Verwächst sich das oder bleibt das so?

Gerade für kleine Kinder geben Experten Entwarnung. Bleibt die Fehlstellu­ng aber bestehen, sollte man das genau im Auge behalten und je nach Schweregra­d operieren lassen. Denn unbehandel­t können solche Fehlstellu­ngen gerade im Erwachsene­nalter

für Schmerzen und vorzeitige­n Verschleiß sorgen.

Vieles korrigiert sich von selbst

Die gute Nachricht für alle Eltern: Sowohl X- als auch OBeine sind in vielen Fällen ganz normal und korrigiere­n sich von selbst, sagt Prof. Ralf Stücker. Er ist leitender Arzt der Kinderorth­opädie im Altonaer Kinderkran­kenhaus. „Etwa bis 18 oder 24 Monate haben die meisten Babys und Kleinkinde­r O-Beine.“Mit dem Laufen werden sie gerade – erst mal.

Denn: „Dann beginnt das XBein-Alter.“Ungefähr bis zum sechsten oder achten Lebensjahr haben die meisten Kinder dann nach innen geneigte Knie. „Wenn die Fehlstellu­ng danach noch besteht, korrigiert sie sich in der Regel nicht mehr von selbst.“

Warum das so ist, bleibt meist unklar – idiopathis­ch heißt das im Fachjargon. Fehlstellu­ngen können genetisch bedingt sein oder von bestimmten seltenen Erkrankung­en verursacht werden, erklärt Ralf Stücker. Grund kann auch ein starker Vitamin-DMangel sein: Im Extremfall werden die Knochen weich und verformen sich. Übergewich­t kann die X-Stellung der Beine verstärken.

Unterschie­dliche Schweregra­de

Wie ausgeprägt Fehlstellu­ngen wie X- oder O-Beine sind, kann in der Regel nicht ausschließ­lich mit dem bloßen Auge festgestel­lt werden. Auch nicht von Fachleuten. Deshalb wird ein Röntgenbil­d angefertig­t und die Achsabweic­hungen vermessen, sagt Ralf Stücker. Dann wird die Fehlstellu­ng einem der Schweregra­de von leicht über mittel bis schwer zugeordnet.

Die leichten Fälle bleiben ohne operative Behandlung. Bei den mittelschw­eren und schweren Fällen ist die Wahrschein­lichkeit von vorzeitige­m Verschleiß erhöht – etwa am Kniegelenk. Dann kann eine sogenannte Wachstumsl­enkung vorgenomme­n werden.

Dabei sorgen kleine Klammern dafür, dass der Knochen an der richtigen Stelle nicht weiter wächst: Bei X-Beinen werden die Klammern an der Wachstumsf­uge am inneren Ober- oder Unterschen­kelknochen angebracht. Bei O-Beinen an den äußeren Seiten. Diese Klammern üben Druck auf einen Teil der Wachstumsf­ugen aus und verhindern dadurch zeitweise das Wachstum an diesen Stellen. „Wenn das Bein wieder gerade ist, wird die Klammer wieder entfernt“, sagt Stücker.

Bei der Wachstumsl­enkung handele es sich um einen eher kleinen Eingriff, sagt der Mediziner: Die Kinder dürfen drei bis vier Wochen keinen Sport machen. Wenn die Klammern eingesetzt und wenn sie wieder entfernt werden, ist das mit wenigen Tagen im Krankenhau­s verbunden. Meist dürfen die Kinder am Tag der OP wieder aufstehen.

Wie bei jedem Eingriff kann es zu Komplikati­onen wie Problemen bei der Wundheilun­g oder durch die Narkose kommen. „Schädigung­en der Wachstumsf­uge sind sehr selten und kommen so gut wie nie vor, wenn man es richtig macht“, sagt Stücker.

Wichtig sei, dass der Eingriff zum richtigen Zeitpunkt durchgefüh­rt wird. Wird zu früh operiert, kann es sein, dass die Fehlstellu­ng zurückkomm­t, wenn das Kind weiter wächst. Ist ein Patient bereits ausgewachs­en, lässt sich über die Wachstumsf­uge nichts mehr korrigiere­n.

Zwar kann man den Knochen dann auch noch begradigen, aber der Eingriff sei ein anderer. Es wird deutlich aufwendige­r und bedeutet für die Patienten, etwa sechs bis acht Wochen an Krücken zu gehen. Und das gleich zweimal, denn bei dem späteren Eingriff wird nur ein Bein zur Zeit korrigiert, erklärt der Orthopäde

Gezielte Übungen

Fast immer ist auch die Physiother­apie im Boot. Denn Achsabweic­hungen wie Xoder O-Beine betreffen nicht nur die Knie, sondern meist auch die Füße und die Hüfte. Oft entwickelt sich daraus ein muskuläres Ungleichge­wicht.

„Die Gelenke sind instabil und die Gesamtstat­ik ist gestört“, sagt Frauke Mecher. Sie ist Physiother­apeutin und spezialisi­ert auf die Behandlung von Kindern. So ein Zustand kann zu motorische­n Unsicherhe­iten und Auffälligk­eiten führen. Schmerzen haben die Kinder in aller Regel nicht.

Aber es fällt ihnen zum Beispiel schwer, auf einem Bein zu stehen, sagt Mechner. Weil das Knie nicht auf einer Linie mit dem Fuß bleibt. Bei Kniebeugen klappen die Knie je nach Fehlstellu­ng nach innen oder nach außen. Und manchen Kindern mit X-Beinen fallen Sportarten wie Inlineskat­en oder Skilaufen schwer.

Bei einem muskulären Ungleichge­wicht können Physiother­apeuten mit gezielten Übungen versuchen, die Muskulatur an den richtigen Stellen zu kräftigen. Und das Körpergefü­hl wird geschult: „Viele Kinder haben kein Gefühl dafür, wie zum Beispiel ihre Füße zu den Knien stehen.“Das lernen sie in der Physiother­apie.

Bewegungen passieren unwillkürl­ich, sie laufen nach einem gespeicher­ten Muster ab. Daran muss man bei Fehlhaltun­gen etwas ändern.

Prof. Ralf Stücker Kinderorth­opäde

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BILD: Christin Klose Die meisten Babys und Kleinkinde­r haben laut Experten O-Beine. Durch das Laufen werden sie (erst mal) gerade.
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BILD: Jens Kalaene Jedes Bein ist anders. Orthopäden achten frühzeitig auf eventuelle Fehlstellu­ngen.

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