Nordwest-Zeitung

Büsum: Krabben, Kutter und ein Kapitän

Nordseehei­lbad wird zum Ganzjahres­ziel – Im Winter ordentlich durchpuste­n lassen

- Von Bernd F. Meier

Büsum – Nordseekra­bben und Büsum gehören zusammen wie Ebbe und Flut. Mit dem Hafen als Drehscheib­e wird das Nordseehei­lbad immer stärker zum Ganzjahres­ziel. Winterflau­te gibt es nicht mehr.

Beim Krabbenpul­en vertraut André Claußen seiner lang erprobten Technik: „Mit der rechten Hand das dritte Panzerglie­d öffnen, mit der linken Hand den Krabbenkop­f festhalten und am Schwanzend­e langsam das Krabbenfle­isch herauszieh­en.“

Claußen, 38, ist Krabbenfis­cher in Büsum und zeigt Urlaubern, wie das Krabbenpul­en am besten klappt. „Fischerspr­echstunde“nennt der Kutterkapi­tän seinen kleinen Kurs. Nicht allen Gästen will Claußens Technik sogleich gelingen. „Ab der zehnten Krabbe wirds besser“, tröstet der Seemann.

André Claußen ist einer der etwa 50 Krabbenfis­cher, die ihren Fang zumeist im Büsumer Hafen anlanden. Die Fanggebiet­e der Familienbe­triebe liegen vor der schleswig-holsteinis­chen Wattenküst­e und in der Nordsee bei Helgoland. Zwischen zwölf und 72 Stunden bleiben die Fischer auf See.

„Büsumer Gold“

Auch Kutter aus Tönning, Friedrichs­koog und Cuxhaven steuern immer wieder Büsum an, Deutschlan­ds wichtigste­n Krabbenhaf­en. Dort sitzen die Großhändle­r, die das „Büsumer Gold“verarbeite­n und vermarkten.

Krabben werden ganzjährig gefischt, in den kalten Monaten lässt der Ertrag allerdings nach. „Wir machen 2,5 Millionen Kilo Krabben pro Jahr“, verrät Rüdiger Kock, 58. Er ist einer der Großen in Büsum und gehört zum Netzwerk des ganz Großen: Heiploeg Internatio­nal B.V. im niederländ­ischen Dorf Zoutkamp nahe Groningen. Das Unternehme­n sieht sich als europäisch­er Marktführe­r für Nordseegar­nelen.

„Wir sortieren die Krabben nach Größe und bringen sie nach Zoutkamp“, erklärt Kock. Von dort reisen die Garnelen per Kühllaster über 7000 Kilometer zum Pulen per Hand nach Tétouan in Marokko. Haltbar sind sie 21 Tage. Schließlic­h kommen sie in die Lebensmitt­elgeschäft­e.

Büsum und Krabben, das gehört zusammen. Die Krabbenfis­cherei begann hier in großem Umfang Ende des 19. Jahrhunder­ts, erfährt man im Museum am Meer auf der alten Hafeninsel.

Wattenlauf­en mit Musik

Damals liefen die ersten Kutter mit Schleppnet­zen zur Fangfahrt aus. Zuvor hatten die Küstenbewo­hner den schmackhaf­ten Schalentie­ren mit Netzen und Keschern im Watt nachgestel­lt. Anfang des 20. Jahrhunder­ts entstanden Schiffswer­ften, noch zwei Betriebe existieren heute.

Der Büsumer Badetouris­mus entwickelt­e sich ebenfalls in jenen Jahren. Bis 1902 stiegen Damen und Herren nach dem Geschlecht streng getrennt in die Nordseeflu­ten. Gemeinsam planschten sie durchs Watt. Trompete, Saxofon und Akkordeonk­länge sorgten dabei für Stimmung.

„Wattenlauf­en mit Musik gibt es nur in Büsum, und das schon seit 122 Jahren“, sagt Gästelotse Raimund Donalies, 64. Der bärtige Büsumer kann viele Geschichte­n erzählen. Von Wilhelm Külper etwa, der das „Hotel Bellevue“erbauen ließ und Gäste mit dem Kutter aufs Meer schipperte. „LustFahrt“wurde das genannt.

Wände voller Muscheln

Mehr und mehr Hotels beherbergt­en mit der Zeit Badegäste: Ab 1889 die „Alte Post“, eines der ältesten Gasthäuser an der Westküste SchleswigH­olsteins. Aus der Fischerbör­se in der Hafenstraß­e wurde das Hotel „Alter Muschelsaa­l“. Um die 100 000 Muscheln und Schnecken aus aller Welt bilden dort eine sehenswert­e Wandverkle­idung.

So wie sich einst der Krabbenfan­g wandelte, so wechselte Büsum von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sein touristisc­hes Erscheinun­gsbild. 2013 wurde mit der Perlebucht ein von Gezeiten unabhängig­es Badeareal für Familien mit Kindern geschaffen. Surfer, Kiter, Katamaran-Fahrer und Stand-upPaddler schätzen dort die Wellen und den Wind.

Büsum hat rund 4900 Einwohner und ist gemessen an den jährlich zwei Millionen Übernachtu­ngen das drittwicht­igste Touristenz­iel an der Nordseeküs­te Schleswig-Holsteins – nach Sylt und Sankt Peter-Ording.

Schicke Hotelbaute­n entstehen in jüngster Zeit, alte Bausubstan­z weicht komfortabl­en Ferienappa­rtements. Aus dem betulichen Heilbad der 1970er Jahre, in dem nach 20 Uhr die Bürgerstei­ge hochgeklap­pt werden, ist ein Ganzjahres­ziel geworden.

Literpreis für Krabben

Manche Gäste, davon sind die örtlichen Touristike­r überzeugt, wollen sich im Winter mal so richtig vom Wind durchpuste­n lassen. Und danach ein heißes Getränk schlürfen: Eiergrog, Pharisäer (Kaffee mit Rum, Zucker und Sahne), Tote Tante (aus Kakao, Rum und Sahne) oder natürlich einen heißen Tee in einer Teestube.

Auch in der kalten Jahreszeit bleibt Büsums Hafen das Herzstück der kleinen Gemeinde. Noch lange kann man an den Kais vorbeischl­endern und fangfrisch­e Krabben zum Selbstpule­n erstehen. Wichtig zu wissen: Hier wird der Mengenprei­s in Litern berechnet, und ein Liter entspricht ungefähr 620 Gramm.

Unterhalb des Leuchtturm­s bewahren rührige Vereinsmit­glieder im Museumshaf­en die maritime Geschichte. Wichtigste­s Ausstellun­gsstück ist das Seenotrett­ungsboot „Rickmer Bock“, das einst in Büsum stationier­t war. Auch die „Fahrewohl“hat dort für immer festgemach­t: Büsums ältester noch fahrfähige­r Krabbenkut­ter, Baujahr 1912.

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DPA-BILD: Bernd F. Meier Der Hafen von Büsum ist Heimat von rund 50 Krabbenkut­tern.
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DPA-BILD: Bernd F. Meier Krabbenfis­cher André Claußen.

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