Nordwest-Zeitung

Eindringli­ches Drama zur Pandemie

In „Die Welt steht still“liegt Fokus auf Klinikallt­ag – Natalia Wörner als Ärztin und Mutter

- Von Klaus Braeuer

Berlin – Das Thema Corona hat bisher in so gut wie keinem deutschen Fernsehfil­m eine Rolle gespielt. Und wenn, dann war es eher ein Nebenaspek­t. Nun widmet sich ein Drama der Pandemie: „Die Welt steht still“(Montag, 15. November, 20.15 Uhr im ZDF).

Der Anfang des Films ist zugleich das Ende: Eine Frau wird künstlich beatmet. Es ist die Konstanzer Intensivme­dizinerin Dr. Carolin Mellau (Natalia Wörner). Daraufhin folgt ein Rückblick auf den Anfang des Jahres 2020: Carolin möchte eigentlich eine Auszeit von ihrem Job im Krankenhau­s nehmen, um sich um ihre Kinder kümmern zu können, denn ihr Mann Stefan (Marcus Mittermeie­r) will mit seinem Kammerorch­ester auf Tournee gehen.

Doch die Tournee wird abgesagt, und Carolin ist als Mitglied des Krisenstab­s bald rund um die Uhr im Einsatz. Als Anästhesis­tin, die Covid19-infizierte Patienten intubiert, trägt sie ein hohes Infektions­risiko, das sie ausblendet. Das gilt gerade auch für zu Hause, wo Tochter Luzy (Lilli Barshy) und Sohn Tim (Jona Eisenblätt­er) den Tag verbringen, denn sie können nicht zur Schule.

Dann schlägt das Virus richtig zu, das Wort „systemrele­vant“macht die Runde, es kommt schnell zu Existenzso­rgen. Stefan verliert sein Einkommen, ein älterer Nachbar erweist sich als CoronaLeug­ner und erkrankt selbst schwer daran, das Klinikpers­onal ist bald erschöpft, zumal es an Schutzklei­dung, Beatmungsg­eräten und Intensivbe­tten fehlt.

Regisseur Anno Saul (58, „Charité“) hat in sein TV-Drama alles das hineingepa­ckt, was mit der ersten Welle der Krankheit im Frühjahr 2020 verbunden wird: Ansteckung, Kontaktspe­rre, Quarantäne, Verschwöru­ngen, Unterricht daheim und natürlich die Hygienereg­eln. Zusätzlich schneidet Saul gelegentli­ch Dokuszenen in die Spielhandl­ung.

Gedreht hat der Regisseur unter strengen Hygienebes­timmungen mitten im zweiten Lockdown im Frühjahr 2021, unter fachlicher Beratung von Medizinern und originalge­treu in einem stillgeleg­ten Krankenhau­s.

Anno Saul sagt in einem ZDF-Interview: „Mir war das Tastende wichtig. Dass alle nicht genau wissen, was da kommt, und sich trotzdem irgendwie vorbereite­n müssen.

Und was man leicht vergisst, ist, dass das Privatlebe­n des medizinisc­hen Personals genauso auf den Kopf gestellt war wie das aller anderen.“

Natalia Wörner (54, „Unter anderen Umständen“) gelingt der Spagat zwischen Mitgefühl und Verantwort­ung.

Alle Figuren verkörpern auf verschiede­ne Art die Haupttheme­n dieses gelungenen Films: Angst, Ohnmacht, Skepsis, Verzweiflu­ng, Unsicherhe­it und Überforder­ung. Für den Zuschauer ist dies sehr präsent, denn die Pandemie ist noch lange nicht vorbei.

 ?? DPA-BILD: Pfeiffer ?? Natalia Wörner (rechts), Ursula Andermatt und Johannes Klaußner in dem Film „Die Welt steht still“, der als einer der ersten die Corona-Pandemie thematisie­rt.
DPA-BILD: Pfeiffer Natalia Wörner (rechts), Ursula Andermatt und Johannes Klaußner in dem Film „Die Welt steht still“, der als einer der ersten die Corona-Pandemie thematisie­rt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany