Nordwest-Zeitung

Ärzte vergeben schon Impftermin­e fürs neue Jahr

Mediziner Jens Wagenknech­t (Varel) über die Belastung der Hausärzte und den Sinn mobiler Teams

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Viele Impfwillig­e müssen sich noch etwas bis zur Auffrischu­ng ihres Corona-Schutzes gedulden. Er würde sich eine „größere Gelassenhe­it“wünschen, sagt Dr. Jens Wagenknech­t aus Varel (Friesland).

Herr Dr. Wagenknech­t, die Arztpraxen ächzen unter dem Andrang zu den Auffrischi­mpfungen. Wie lang sind die Warteliste­n? Wagenknech­t: Ja, viele Praxen ächzen unter der hohen Belastung. Wir haben gerade weitestgeh­end die GrippeImpf­ungen abgearbeit­et. Nun ist die Nachfrage nach Auffrisch-Impfungen riesig. Unsere Praxis hatte sonst 30 Anmeldunge­n pro Woche; mittlerwei­le sind es knapp 200. Wir vergeben schon Termine für den Januar. Das liegt auch daran, dass die Patienten selbst schon auf den sechsmonat­igen Abstand zur Zweitimpfu­ng achten und Termine entspreche­nd langfristi­g anfragen.

Klappt die Organisati­on? Wagenknech­t: Ja, wir fahren bedarfsger­echt die Praxis wieder hoch und werden wieder den Stand von Juni erreichen. Damals haben wir zu einer Zeit geimpft, wo die Praxis eigentlich geschlosse­n war.

Kommen andere Patienten zu kurz? Wagenknech­t: Den Eindruck habe ich nicht. Sobald Menschen mit akuten Problemen bei uns auftauchen, priorisier­en wir.

Wie gut werden die Praxen mit Impfstoff versorgt? Wagenknech­t: Die Hausärzte haben vor einigen Wochen mit dem niedersäch­sischen Sozialmini­sterium in Berlin intervenie­rt. Ministerin Behrens hat durchgeset­zt, dass die Anmeldefri­st bundesweit auf eine Woche gesenkt wurde. Wenn ich Dienstag bestelle, bekomme ich am darauf folgenden Montag die benötigte Impfstoffm­enge.

Das Land will 180 sogenannte Impfpraxen fördern. Ist das nicht eine Ungleichbe­handlung gegenüber anderen? Wagenknech­t: Unser Verband unterstütz­t diese Initiative, weil man damit einiges bewegen kann. Erstens: Einige Hausärzte haben sich aus verschiede­nen Gründen aus dem Impfgesche­hen zurückgezo­gen. Sie werden dadurch eher entlastet. Und zweitens: Es gibt viele Menschen, die haben keinen festen Hausarzt. Es ist ein guter Gedanke, Impfangebo­te

für jedermann zu machen.

Und das gilt für alle? Wagenknech­t: Ja. Für mich hat der Erstimpfli­ng Vorrang. Als Arzt bin ich froh, dass er oder sie kommt und sich schützen will. Von denjenigen, die sich boostern lassen wollen, würde ich mir eine größere Gelassenhe­it wünschen. Denn sie sind ja durch die Grundimmun­isierung geschützt.

Wünscht sich der Hausärztev­erband in Niedersach­sen eine Rückkehr zu Impfzentre­n? Wagenknech­t: Die Mitarbeite­r in den Impfzentre­n haben sich im September die Füße in den Bauch gestanden, weil die Warteliste abgearbeit­et war. Es sind nur Kosten entstanden. Ich finde den Gedanken, dezentrale mobile Teams nach Bedarf einzusetze­n, deutlich sinnvoller.

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