Ärzte vergeben schon Impftermine fürs neue Jahr
Mediziner Jens Wagenknecht (Varel) über die Belastung der Hausärzte und den Sinn mobiler Teams
Viele Impfwillige müssen sich noch etwas bis zur Auffrischung ihres Corona-Schutzes gedulden. Er würde sich eine „größere Gelassenheit“wünschen, sagt Dr. Jens Wagenknecht aus Varel (Friesland).
Herr Dr. Wagenknecht, die Arztpraxen ächzen unter dem Andrang zu den Auffrischimpfungen. Wie lang sind die Wartelisten? Wagenknecht: Ja, viele Praxen ächzen unter der hohen Belastung. Wir haben gerade weitestgehend die GrippeImpfungen abgearbeitet. Nun ist die Nachfrage nach Auffrisch-Impfungen riesig. Unsere Praxis hatte sonst 30 Anmeldungen pro Woche; mittlerweile sind es knapp 200. Wir vergeben schon Termine für den Januar. Das liegt auch daran, dass die Patienten selbst schon auf den sechsmonatigen Abstand zur Zweitimpfung achten und Termine entsprechend langfristig anfragen.
Klappt die Organisation? Wagenknecht: Ja, wir fahren bedarfsgerecht die Praxis wieder hoch und werden wieder den Stand von Juni erreichen. Damals haben wir zu einer Zeit geimpft, wo die Praxis eigentlich geschlossen war.
Kommen andere Patienten zu kurz? Wagenknecht: Den Eindruck habe ich nicht. Sobald Menschen mit akuten Problemen bei uns auftauchen, priorisieren wir.
Wie gut werden die Praxen mit Impfstoff versorgt? Wagenknecht: Die Hausärzte haben vor einigen Wochen mit dem niedersächsischen Sozialministerium in Berlin interveniert. Ministerin Behrens hat durchgesetzt, dass die Anmeldefrist bundesweit auf eine Woche gesenkt wurde. Wenn ich Dienstag bestelle, bekomme ich am darauf folgenden Montag die benötigte Impfstoffmenge.
Das Land will 180 sogenannte Impfpraxen fördern. Ist das nicht eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen? Wagenknecht: Unser Verband unterstützt diese Initiative, weil man damit einiges bewegen kann. Erstens: Einige Hausärzte haben sich aus verschiedenen Gründen aus dem Impfgeschehen zurückgezogen. Sie werden dadurch eher entlastet. Und zweitens: Es gibt viele Menschen, die haben keinen festen Hausarzt. Es ist ein guter Gedanke, Impfangebote
für jedermann zu machen.
Und das gilt für alle? Wagenknecht: Ja. Für mich hat der Erstimpfling Vorrang. Als Arzt bin ich froh, dass er oder sie kommt und sich schützen will. Von denjenigen, die sich boostern lassen wollen, würde ich mir eine größere Gelassenheit wünschen. Denn sie sind ja durch die Grundimmunisierung geschützt.
Wünscht sich der Hausärzteverband in Niedersachsen eine Rückkehr zu Impfzentren? Wagenknecht: Die Mitarbeiter in den Impfzentren haben sich im September die Füße in den Bauch gestanden, weil die Warteliste abgearbeitet war. Es sind nur Kosten entstanden. Ich finde den Gedanken, dezentrale mobile Teams nach Bedarf einzusetzen, deutlich sinnvoller.