Nordwest-Zeitung

Von Entscheidu­ngen im moralische­n Dilemma

„Name: Sophie Scholl“feierte im Oberlandes­gericht Premiere – Stück wirft spannende Fragen auf

- Von Tonia Hysky

Oldenburg – Sagt Ihnen der Name Professor Kurt Huber etwas? Franz J. Müller oder Susanne Hirzel? Falls nicht, dann sicher der Name Sophie Scholl – steht dieser doch wie kein anderer für die Widerstand­sgruppe Weiße Rose.

Zwei Frauen, ein Name

Die Ehre – aber auch die Bürde dieses großen Namens nimmt das Stück „Name: Sophie Scholl“auf. Nachdem es aufgrund der Pandemie zunächst als digitales Format produziert wurde, feierte das Stück nun im Oberlandes­gericht Oldenburg Premiere. Dabei geht es um zwei Frauen mit gleichem Namen: Sophie Scholl. Die eine, Ikone der Widerstand­sbewegung gegen die Nazis, die sich weigerte, in den Verhören ihre Freunde zu

Anna Seeberger brillierte in der Hauptrolle als historisch­e und zeitgenöss­ische Sophie Scholl.

Die andere ist eine Jurastuden­tin der heutigen Zeit. Diese ist als Zeugin in einem Prozess vorgeladen und hadert in einem moralische­n Dilemma mit ihrer Aussage vor Gericht. Anna Seeberger übernimmt in dem Monologstü­ck beide Rollen.

„Wer entscheide­t, wer zur Heldin wird oder zum Unterricht­sstoff in den Schulen?“, fragt sich die zeitgenöss­ische Sophie. Was ist mit den anderen, den vielen Unterstütz­ern? So viele Namen und Geschichte­n, die nicht erzählt wurden. Während Seeberger die Geverraten. schichte der Weißen Rose rekapituli­ert, lässt Cindy Weinhold (Musik/Sounddesig­n) mit einem simplen Mittel eine wahrhaft bedrohlich­e Stimmung im Raum aufkommen – mechanisch hämmert sie auf die Tasten einer Schreibmas­chine und lässt wie ein Geschwader militärisc­hes Stakkato durch den Raum fliegen. Die 30er Jahre scheinen plötzlich bedrückend nah.

Braucht es Helden?

Anna Seeberger übernimmt auf dem Parkett zwei Persönlich­keiten. Wandelt zwischen der engagierte­n, lebensfroh­en, historisch­en Sophie Scholl und der zerrissene­n Jurastuden­tin hin und her. „Manchmal möchte ich verschwind­en hinter der Belanglosi­gkeit eines Namens, den niemand kennt“, sagt die heutige Sophie, muss sie doch ihre Entscheidu­ng auch unter Druck ihres Namens treffen. Äußerst beachtlich ist ihre Schauspiel­leistung und die Fähigkeit, den einstündig­en Monolog mühelos und nahezu fehlerfrei vorzutrage­n.

Ob es Heldinnen, Helden und große Namen braucht? Wie entscheide­t man sich in einem moralische­n Dilemma, nach Gewissen und Loyalität? Klare Antworten gibt es nicht vorgelegt – aber es ist für jeden Einzelnen äußerst interessan­t, die aufgeworfe­nen Fragen für sich selbst zu beantworte­n. Ans Herz gelegt sei dazu die Ausstellun­g zur Weißen Rose, die noch bis zum 3. Dezember im OLG gezeigt wird.

Das Stück „Name: Sophie Scholl“geschriebe­n von Rieke Reiniger; Regie: Julia Balzert. Termine im OLG sind ausverkauf­t, weitere ab 8. Januar in der Exerzierha­lle. Dauer 60 Minuten, ohne Pause.

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BILD: Stephan Walzl/Staatsthea­ter

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