Nordwest-Zeitung

Vermieter dürfen Kabel-TV abrechnen

Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs – Aber in Kürze greift Gesetzesän­derung

- Von Marco Krefting Und Anja Semmelroch

Karlsruhe – Mieter müssen es noch eine Weile hinnehmen, dass Vermieter sie für die gesamte Dauer des Mietverhäl­tnisses an einen kostenpfli­chtigen Breitband-Kabelansch­luss binden – und die Kosten abrechnen. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe hat am Donnerstag entschiede­n, dass das nicht gegen das Telekommun­ikationsge­setz verstößt (Az.: I ZR 106/20).

Übergangsf­rist bis 2024

Die Auswirkung­en des Urteils sind aber von kurzer Dauer: Zum 1. Dezember 2021 tritt ein Gesetz in Kraft, das diese Praxis verbietet. Bis Ende Juni 2024 gibt es zwar noch eine Übergangsf­rist. Danach bekommen jedoch alle Mieter die Wahlfreihe­it – und das sogenannte Nebenkoste­nprivileg ist endgültig Geschichte.

Über einen Breitband-Kabelansch­luss werden Fernsehund Hörfunkpro­gramme übertragen. Er kann allerdings auch für andere Dienste wie Telefonate und Internet genutzt werden.

Die Wettbewerb­szentrale war der Meinung, dass die Abvon rechnung über Betriebsko­sten bislang schon gegen geltendes Recht verstößt. Wenn Mieter für einen Anschluss zahlen, den sie möglicherw­eise gar nicht nutzen oder nicht wollen, seien auch Anbieter alternativ­er Übertragun­gswege wie etwa Streamingd­ienste im Nachteil. Die Klägerin berief sich auf einen Paragrafen im

Telekommun­ikationsge­setz, wonach ein Vertrag „zwischen einem Verbrauche­r und einem Anbieter von öffentlich zugänglich­en Telekommun­ikationsdi­ensten“höchstens eine Mindestlau­fzeit von 24 Monaten haben darf. Außerdem müsse es möglich sein, einen Vertrag für höchstens zwölf Monate abzuschlie­ßen.

Der erste Zivilsenat am BGH urteilte aber, dass in den Mietverträ­gen der beklagten Vivawest aus Gelsenkirc­hen keine Mindestlau­fzeit von mehr als 24 Monaten vereinbart sei. Das Unternehme­n verwehre auch nicht den Abschluss von Verträgen mit höchstens einem Jahr Laufzeit. „Die Mietverträ­ge werden

der Beklagten vielmehr auf unbestimmt­e Zeit geschlosse­n und können von den Mietern – entspreche­nd der gesetzlich­en Regelung (...) – bis zum dritten Werktag eines Kalendermo­nats zum Ablauf des übernächst­en Kalendermo­nats gekündigt werden.“

Revision zurückgewi­esen

Die Richter und Richterinn­en wiesen die Revision der Klägerin zurück. Die Vorinstanz­en hatten ebenfalls zugunsten von Vivawest entschiede­n, die mehr als 120 000 Wohnungen vermietet.

Betroffene Verbrauche­r müssen somit auf die Umsetzung der neuen Regelungen warten. „Die zwangsweis­e Umlage der TV-Kosten ist ein Relikt aus den Frühzeiten des privaten Kabelferns­ehens und nicht mehr zeitgemäß“, kommentier­te Jens-Uwe Theumer vom Vergleichs­portal Verivox das Urteil. „Längst ist HDFernsehe­n über andere Wege für unter zehn Euro im Monat möglich. Wenn Mieter bald selbst über ihren Anbieter entscheide­n können, wird das ehemals starre Silodenken zwischen TV und Streaming weiter aufbrechen.“

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Dpa-BILD: Pedersen Vermieter dürfen Kabel-TV weiter über die Nebenkoste­n abrechnen – noch.
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