Nordwest-Zeitung

Bürokratie statt Besinnlich­keit

Bewohner des Ahrtals blicken mit gemischten Gefühlen aufs Fest

- Von Ira Schaible

Der britische Pop-Rocker Rod Stewart (76/Bild) spricht nach eigenen Angaben nicht mehr mit seinem Landsmann Elton John (74). Vor einigen Jahren hatten sich die beiden öffentlich vorgeworfe­n, bei ihren Auftritten nur noch auf Geld aus zu sein. Das scheint vorüber, doch nun herrscht Funkstille, wie Stewart der Nachrichte­nagentur PA sagte. Die beiden waren sich trotz einer gewissen Rivalität einst jahrzehnte­lang freundscha­ftlich verbunden, doch jetzt habe er nicht einmal mehr die Telefonnum­mer von Elton John, sagte Stewart. „Ich glaube, wir verehren uns noch immer gegenseiti­g, aber wir haben uns auseinande­rgelebt, wie es Liebende manchmal tun.“

Schauspiel­er Tom Holland („Spider-Man“) wird nach eigenen Angaben manchmal bis in seine Albträume von Paparazzi verfolgt. Der 25-Jährige erzählte dem Männermaga­zin „GQ“, dass er gelegentli­ch mit einer Schlaflähm­ung aufwacht, sich also noch nicht bewegen kann und halluzinie­rt, dass sein Zimmer voller Fotografen sei. „Sie sind alle da und ich suche nach meinem Presseagen­ten“, sagte Holland. Er sei dann immer verwirrt und vermisse jemanden, der ihn beschütze, erklärte der Brite. „Und wenn ich dann wieder in der Lage bin, mich zu bewegen, knipse ich das Licht an und es ist vorüber.“

Wenig Trost in trostlosen Zeiten: Auf die Schutzplan­e eines von der Flut beschädigt­en Hauses in Insul wurde ein Adventskal­ender gezeichnet. Auch Monate nach der Flutkatast­rophe kehrt das Alltagsleb­en hier nur zögerlich zurück.

– Bernd Gasper hat Angst vor Weihnachte­n. „Dieses Jahr feiern wir zum ersten Mal allein“, sagt seine Frau Brigitte. Nach der Flutkatast­rophe vor rund vier Monaten lebt die seit Generation­en im Ahrtal verwurzelt­e Familie verstreut.

Ihre Häuser in Altenahr-Altenburg sind abgerissen oder unbewohnba­r und müssen trocknen. Dem Ehepaar fehlt der vertraute, enge und selbstvers­tändliche Kontakt zu seinen beiden Söhnen und den Enkeln, zu seinen Geschwiste­rn und deren Familien sowie den Freunden im Ahrtal.

Bernd Gaspers älterer Bruder Gerd blickt mit sehr gemischten Gefühlen auf Weihnachte­n und die Tage bis zum Jahreswech­sel: „Da müssen wir durch.“Er wartet auf einen Sachverstä­ndigen, der die Mauern seines vollständi­g entkernten Hauses auf Öl und andere Schadstoff­e untersuche­n soll. „Wenn im Mauerwerk keine Schadstoff­e sind, geht es weiter, sagt der Architekt.“Und wenn doch? Der 80und

Die Brüder Bernd (links) und Gerd Gasper auf der Brachfläch­e, auf der ihr Elternhaus gestanden hat.

Jährige zuckt mit den Schultern. „Das weiß ich nicht.“

Schwer getroffen

Tim Himmes aus Schuld wartet schon seit Monaten auf das Gutachten seines Sachverstä­ndigen. Ohne das könne er den Antrag auf Wiederaufb­auhilfe bei der Investitio­ns- und Strukturba­nk (ISB) nicht abschließe­n, sagt der 21-Jährige. Dabei hat schon die CoronaPand­emie seine Schaustell­erfamilie schwer getroffen.

Das Warten, die Bürokratie, das ständige Telefonier­en, EMail-Schreiben und Nachhaken macht den Menschen zu schaffen. „Das regt uns so auf, da ist man abends fertig“, sagt Brigitte Gasper. Um den Antrag auf Wiederaufb­auhilfe bei der ISB zu stellen, seien sie einen Monat lang ein- bis zweimal pro Woche zum InfoPoint gefahren. „Ein normaler Mensch kann da nicht durchblick­en“, sagt Bernd Gasper. In der Flutnacht hat Brigitte ihre 90 Jahre alte Mutter verloren versteht nicht, „warum die Kirchenglo­cken nicht im gesamten Ahrtal geläutet haben“, nachdem die Wassermass­en in Schuld ganze Häuser weggerisse­n hatten. Dieses Signal hätten die Menschen verstanden und sich retten können, auch ihre Mutter, ist die 65-Jährige überzeugt. „Sie war noch total fit.“

Heiligaben­d daheim

Tim Himmes erzählt vom geplanten Weihnachts­markt an der Kirche in Schuld und schwärmt von einem privat organisier­ten Weihnachts­wichteln für Kinder und Jugendlich­e im Tal. Er ist zuversicht­lich, gemeinsam mit seinen Eltern und Schwestern zu Hause Heiligaben­d feiern zu können. Das von der Flut verwüstete Erdgeschos­s des Elternhaus­es hat der 21-Jährige mit Helfern entkernt, Laminat verlegt und die Wände gestrichen. Das Wohn- und Esszimmer ist fertig eingericht­et. Ein Holzofen sorgt für Wärme. „Ganz trocken war das alles noch nicht, aber die Eltern wollten es unbedingt so.“

 ?? ??
 ?? Dpa-BILD: Roessler ??
Dpa-BILD: Roessler
 ?? Dpa-BILD: Roessler ??
Dpa-BILD: Roessler
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany