„Das Handwerk kann Hoffnung geben“
Cehan San organisiert Hilfe für das Ahrtal
Es war der 14. Juli 2021. Flüsse und Bäche in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfahlen wurden zu reißenden Fluten und rissen alles mit, was auf ihrem Weg lag. Besonders hart traf es die Menschen entlang der Ahr. Die todbringende Naturgewalt bahnte sich ihren Weg durch das Ahrtal, bis sie sich schließlich mit ihrer ganzen Wucht über die Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ergoss. Einst ein historisches Kurstädtchen, schaut man heute auf die Trümmer vieler Existenzen und menschliche Tragödien. Schon die Fernsehbilder sprachen eine harte Sprache, doch diese seien nichts, im Vergleich dazu, live vor Ort gewesen zu sein. Die vielen freiwilligen Helfer, sie waren und sind die tragende Säule einer halbwegs funktionierenden Infrastruktur, Tage, Wochen und auch noch Monate nach dem Unglück. Einer von ihnen ist der Unternehmer Cehan San, Inhaber der San Haustechnik. Der Installateur- und Heizungsbauermeister aus Rastede wusste sofort, dass er nicht nur untätig rumsitzen kann.
Gemeinsam stark
Bastian Darsow, Geschäftsführer der Eckel GmbH, gab den entscheidenden Impuls. „Er fuhr schon eine Woche nach dem Unglück runter an die Ahr. Ich sprach ihn danach an und wollte helfen“, erklärt Cehan San. Auf einer außerordentlichen Versammlung versuchte man die vereinten Kräfte zu bündeln und dabei auch die Innungen für Sanitär- und Heizungsbau sowie Elektrotechnik mit ins Boot zu holen. „Wir haben dann mit Frank Wershofen, Obermeister der Innung für Sanitär- und Heizungsbau in Ahrweiler gesprochen. Das war ein sehr emotionales Telefonat, welches mir das Ausmaß der Katastrophe einmal mehr verdeutlicht hat“, erzählt San.
Erstes Treffen in Ahrweiler
Am 27.08. und 28.08.2021 fuhr Cehan San, gemeinsam
Kriegsschauplatz: Die Zerstörung des Wassers ist überall sichtbar.
Untergrund: Die Arbeit findet meist ohne Tageslicht in den Kellern statt. mit Michael Richter (Korfhage GmbH), Bastian Darsow (Eckel GmbH), Innungs-Obermeister Erhard Lamberti (Erhard Lamberti GmbH) und Frank Przytulski (Elektro B. Olschewski) nach Bad Neuenahr-Ahrweiler, um sich ein Bild von der Lage zu machen. „Zwölf Betriebe der dortigen Innung haben alles verloren, andere versuchen trotz der begrenzten Möglichkeiten, den Menschen in der Stadt zu helfen“, so San. Die Arbeiter aus den Oldenburger Betrieben wurden den hiesigen Firmen zugeteilt. Für einen Minimalstundenlohn arbeiteten sie dort mindestens zehn Stunden, Tag für Tag. „Wir wollten eigentlich gar kein Geld, aber die Betriebe dort unten leben vom Handwerk und können so wenigstens einen kleinen Teil den Versicherungen in Rechnung stellen. Wann immer wir mitbekommen haben, dass jemand über keine Elementarversicherung verfügt, haben wir natürlich nichts abgerechnet“, so San weiter. Insgesamt fuhren knapp 50 Arbeiter runter, bestehend aus 38 Installateuren und 10 Elektrikern, die z.B. auf dem Kloster Calvarienberg, in Pensionen oder bei Privatleuten untergekommen waren.
Eine harte Woche
Vom 13.09. bis zum 17.09.2021 ging es dann für die Helferinnen und Helfer nach Rheinland-Pfalz. Auch zwei Monate nach der Flut war die Situation noch immer unübersichtlich. „Die Stimmung war bedrückend. Eine Frau sagte, sie sehe jeden Tag nur Schlamm, Müll und Leerstand. Sie könne nirgendwo hin, es ist alles kaputt. Jeder hat eine bewegende Geschichte zu erzählen“, erinnert sich San. Gemeinsam mit Michael Richter, Bastian Darsow und Jannik Henken wurde Cehan San zum Materialtransporteur und zum Seelsorger.
Reden hilft
Eine Frau, die etwas aus der Wohnung holen wollte, die Fluten unbemerkt ihr Kind für fünf Minuten im Auto in der Tiefagarage lies, welches dann
Heiko Henke
Hauptgeschäftsführer
#solidAHRität:
Cehan San trägt sich auf eine der Helfersäulen ein.
ertrank oder ein Ehepaar, welches durch den Wasserdruck im eigenen Schlafzimmer eingesperrt wurde und starb. Solche Geschichten und auch das Gesehene sind nicht leicht zu verarbeiten. „Wir reden viel darüber. Das hilft uns allen sehr. Man muss auf alle achten. Jeder verarbeitet solche Dinge anders“, so San.
„Wir gehen erst dann, wenn wir fertig sind“
Ca. 100 Haushalte konnten in dieser Zeit wieder mit Sanitärund Heizungsanlagen ausgestattet werden. „Alleine in einem Komplex mit sechs Großkesselanlagen konnten wir 36 Wohneinheiten wieder fit für den Winter machen“, freut sich San. Und zwischen dem ganzen Schatten im Ahrtal, blitzt immer wieder auch ein wenig Licht hindurch. „Die Gruppendynamik und der Zusammenhalt sind enorm. Menschen können wieder menschlich sein und zusammenstehen, wenn es drauf ankommt“, so San. Hoffnungsträger wie Cehan San und alle anderen Helfer bringen definitiv wieder Licht und Zuversicht in das Ahrtal.
Spendenkonto eingerichtet
Neben reiner Muskelkraft und Wissen helfen auch finanzielle Mittel. Bei einem Spendenaufruf sammelte man einige tausend Euro. „Mit 20.000 Euro haben wir z.B. die dortige Innung unterstützt, denn die Betriebe werden dort unten dringend benötigt. Wir haben uns außerdem gezielt Einzelschicksale rausgesucht, denen wir ebenfalls finanziell geholfen haben“, erklärt San.
Ein Versprechen für die Zukunft
Zu Hause angekommen, erwischte Cehan San die Ohnmacht. „Ich habe erstmal 10-15 Minuten im Auto gesessen und gedacht: Mensch, hier ist alles noch so heil und friedlich. Als ich dann zur Haustür rein bin und meine Familie gesehen habe, konnte ich erstmal nur noch weinen“, erklärt er. Dennoch war sich Cehan San sicher: Er macht weiter. Erst vor einer Woche kehrte mit seinem Team von einer dritten
Fahrt zurück. Und es war mit Sicherheit nicht die Letzte. San rechne damit, dass es noch mindestens fünf Jahre dauern dürfte, bis die Infrastruktur im Ahrtal wieder auf ein Minimum hergestellt ist. „Zu wenig Handwerker für zu viel Arbeit. Die Not ist immer noch groß, auch, wenn das Thema weitestgehend aus den Medien verschwunden ist. Ich habe allen dort ein Versprechen gegeben: So lange zu helfen, wie Hilfe benötigt wird. Handwerk kann so viel verändern und Hoffnung geben. Ich hoffe auch, dass das noch ganz viele weitere Kollegen so sehen werden.“