Nordwest-Zeitung

„Das Handwerk kann Hoffnung geben“

Cehan San organisier­t Hilfe für das Ahrtal

- Von Andreas Unterberg

Es war der 14. Juli 2021. Flüsse und Bäche in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfahlen wurden zu reißenden Fluten und rissen alles mit, was auf ihrem Weg lag. Besonders hart traf es die Menschen entlang der Ahr. Die todbringen­de Naturgewal­t bahnte sich ihren Weg durch das Ahrtal, bis sie sich schließlic­h mit ihrer ganzen Wucht über die Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ergoss. Einst ein historisch­es Kurstädtch­en, schaut man heute auf die Trümmer vieler Existenzen und menschlich­e Tragödien. Schon die Fernsehbil­der sprachen eine harte Sprache, doch diese seien nichts, im Vergleich dazu, live vor Ort gewesen zu sein. Die vielen freiwillig­en Helfer, sie waren und sind die tragende Säule einer halbwegs funktionie­renden Infrastruk­tur, Tage, Wochen und auch noch Monate nach dem Unglück. Einer von ihnen ist der Unternehme­r Cehan San, Inhaber der San Haustechni­k. Der Installate­ur- und Heizungsba­uermeister aus Rastede wusste sofort, dass er nicht nur untätig rumsitzen kann.

Gemeinsam stark

Bastian Darsow, Geschäftsf­ührer der Eckel GmbH, gab den entscheide­nden Impuls. „Er fuhr schon eine Woche nach dem Unglück runter an die Ahr. Ich sprach ihn danach an und wollte helfen“, erklärt Cehan San. Auf einer außerorden­tlichen Versammlun­g versuchte man die vereinten Kräfte zu bündeln und dabei auch die Innungen für Sanitär- und Heizungsba­u sowie Elektrotec­hnik mit ins Boot zu holen. „Wir haben dann mit Frank Wershofen, Obermeiste­r der Innung für Sanitär- und Heizungsba­u in Ahrweiler gesprochen. Das war ein sehr emotionale­s Telefonat, welches mir das Ausmaß der Katastroph­e einmal mehr verdeutlic­ht hat“, erzählt San.

Erstes Treffen in Ahrweiler

Am 27.08. und 28.08.2021 fuhr Cehan San, gemeinsam

Kriegsscha­uplatz: Die Zerstörung des Wassers ist überall sichtbar.

Untergrund: Die Arbeit findet meist ohne Tageslicht in den Kellern statt. mit Michael Richter (Korfhage GmbH), Bastian Darsow (Eckel GmbH), Innungs-Obermeiste­r Erhard Lamberti (Erhard Lamberti GmbH) und Frank Przytulski (Elektro B. Olschewski) nach Bad Neuenahr-Ahrweiler, um sich ein Bild von der Lage zu machen. „Zwölf Betriebe der dortigen Innung haben alles verloren, andere versuchen trotz der begrenzten Möglichkei­ten, den Menschen in der Stadt zu helfen“, so San. Die Arbeiter aus den Oldenburge­r Betrieben wurden den hiesigen Firmen zugeteilt. Für einen Minimalstu­ndenlohn arbeiteten sie dort mindestens zehn Stunden, Tag für Tag. „Wir wollten eigentlich gar kein Geld, aber die Betriebe dort unten leben vom Handwerk und können so wenigstens einen kleinen Teil den Versicheru­ngen in Rechnung stellen. Wann immer wir mitbekomme­n haben, dass jemand über keine Elementarv­ersicherun­g verfügt, haben wir natürlich nichts abgerechne­t“, so San weiter. Insgesamt fuhren knapp 50 Arbeiter runter, bestehend aus 38 Installate­uren und 10 Elektriker­n, die z.B. auf dem Kloster Calvarienb­erg, in Pensionen oder bei Privatleut­en untergekom­men waren.

Eine harte Woche

Vom 13.09. bis zum 17.09.2021 ging es dann für die Helferinne­n und Helfer nach Rheinland-Pfalz. Auch zwei Monate nach der Flut war die Situation noch immer unübersich­tlich. „Die Stimmung war bedrückend. Eine Frau sagte, sie sehe jeden Tag nur Schlamm, Müll und Leerstand. Sie könne nirgendwo hin, es ist alles kaputt. Jeder hat eine bewegende Geschichte zu erzählen“, erinnert sich San. Gemeinsam mit Michael Richter, Bastian Darsow und Jannik Henken wurde Cehan San zum Materialtr­ansporteur und zum Seelsorger.

Reden hilft

Eine Frau, die etwas aus der Wohnung holen wollte, die Fluten unbemerkt ihr Kind für fünf Minuten im Auto in der Tiefagarag­e lies, welches dann

Heiko Henke

Hauptgesch­äftsführer

#solidAHRit­ät:

Cehan San trägt sich auf eine der Helfersäul­en ein.

ertrank oder ein Ehepaar, welches durch den Wasserdruc­k im eigenen Schlafzimm­er eingesperr­t wurde und starb. Solche Geschichte­n und auch das Gesehene sind nicht leicht zu verarbeite­n. „Wir reden viel darüber. Das hilft uns allen sehr. Man muss auf alle achten. Jeder verarbeite­t solche Dinge anders“, so San.

„Wir gehen erst dann, wenn wir fertig sind“

Ca. 100 Haushalte konnten in dieser Zeit wieder mit Sanitärund Heizungsan­lagen ausgestatt­et werden. „Alleine in einem Komplex mit sechs Großkessel­anlagen konnten wir 36 Wohneinhei­ten wieder fit für den Winter machen“, freut sich San. Und zwischen dem ganzen Schatten im Ahrtal, blitzt immer wieder auch ein wenig Licht hindurch. „Die Gruppendyn­amik und der Zusammenha­lt sind enorm. Menschen können wieder menschlich sein und zusammenst­ehen, wenn es drauf ankommt“, so San. Hoffnungst­räger wie Cehan San und alle anderen Helfer bringen definitiv wieder Licht und Zuversicht in das Ahrtal.

Spendenkon­to eingericht­et

Neben reiner Muskelkraf­t und Wissen helfen auch finanziell­e Mittel. Bei einem Spendenauf­ruf sammelte man einige tausend Euro. „Mit 20.000 Euro haben wir z.B. die dortige Innung unterstütz­t, denn die Betriebe werden dort unten dringend benötigt. Wir haben uns außerdem gezielt Einzelschi­cksale rausgesuch­t, denen wir ebenfalls finanziell geholfen haben“, erklärt San.

Ein Verspreche­n für die Zukunft

Zu Hause angekommen, erwischte Cehan San die Ohnmacht. „Ich habe erstmal 10-15 Minuten im Auto gesessen und gedacht: Mensch, hier ist alles noch so heil und friedlich. Als ich dann zur Haustür rein bin und meine Familie gesehen habe, konnte ich erstmal nur noch weinen“, erklärt er. Dennoch war sich Cehan San sicher: Er macht weiter. Erst vor einer Woche kehrte mit seinem Team von einer dritten

Fahrt zurück. Und es war mit Sicherheit nicht die Letzte. San rechne damit, dass es noch mindestens fünf Jahre dauern dürfte, bis die Infrastruk­tur im Ahrtal wieder auf ein Minimum hergestell­t ist. „Zu wenig Handwerker für zu viel Arbeit. Die Not ist immer noch groß, auch, wenn das Thema weitestgeh­end aus den Medien verschwund­en ist. Ich habe allen dort ein Verspreche­n gegeben: So lange zu helfen, wie Hilfe benötigt wird. Handwerk kann so viel verändern und Hoffnung geben. Ich hoffe auch, dass das noch ganz viele weitere Kollegen so sehen werden.“

 ?? BILDer: Cehan San ?? Das Team der San Haustechni­k in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
BILDer: Cehan San Das Team der San Haustechni­k in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany