Nordwest-Zeitung

Deutschlan­d gibt Nato Anlass zur Sorge

Generalsek­retär Jens Stoltenber­g diskutiert in Berlin auch über Asien und Belarus

- Von Gregor Mayntz, Büro Berlin

Berlin – Bewaffnete Polizisten pflügen auf einem Schlauchbo­ot durch die Spree. Auf der anderen Seite des eskortiert­en Schiffs halten Sicherheit­skräfte an Bord der „Seeadler“Ausschau nach Verdächtig­em am Ufer und auf den Brücken. Kein Zweifel: Da tuckert eine gefährdete Persönlich­keit durch die deutsche Hauptstadt. Es ist Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g, der sich zwischen einem Frühstück im Adlon und einem Mittagesse­n im Kanzleramt den Gästen der Deutschen Atlantisch­en Gesellscha­ft und der Bundesakad­emie für Sicherheit­spolitik stellt.

Er sei schon oft in Berlin gewesen, aber zum ersten Mal auf der Spree, sagt der Generalsek­retär. Vermutlich ist es für den Nato-Chef auch im übertragen­en Sinne ein ungewohnte­s Gefühl, mit seinen Partnern permanent in einem Boot zu sitzen und sowohl den Start und das Ziel punktgenau zu erreichen. Daran fehlt es in der Nato seit Langem. Es gibt viele Krisen:

■ Deutschlan­d

Auch Deutschlan­d gehört zu den Anlässen, die die Nato besorgen. Stoltenber­g bedient sich feinster Diplomatie, will die innerstaat­liche Regierungs­bildung eines der wichtigste­n Mitglieder nicht kommentier­en, hinterläss­t dann aber doch klare Warnungen in Richtung der laufenden Koalitions­verhandlun­gen: Es müsse bei der nuklearen Teilhabe Deutschlan­ds als Ausdruck der Nato-Solidaritä­t und als Sicherheit­sgarantie für Europa bleiben, lautet seine Beschwörun­g. Und er empfiehlt nachdrückl­ich, mehr Geld in die Verteidigu­ng zu stecken.

■ Russland

Zum Thema Russland fällt sehr häufig das Wort „aggressiv“. Stoltenber­g nutzt das öffentlich­e Forum in Berlin, um Polen und den baltischen Staaten eine Beistandsg­arantie auszusprec­hen und Unterstütz­ung für die Ukraine anzukündig­en. Der massive russische Truppenauf­marsch an den Grenzen der Ukraine ist für Stoltenber­g alarmieren­d, Grund zu großer Besorgnis ist für ihn auch das „zynische“Vorgehen Weißrussla­nds, mit Flüchtling­en Druck auf Polen und die EU auszuüben.

■ China

Und dann ist da China. Auch die Nato hat wachsende Probleme in der Systemkonf­rontation mit China, wie Wissenscha­ftler an Bord herausarbe­iten. Es gebe keine belastbare­n Strukturen des Westens in jener Region, in der China mit einer Salamitakt­ik mehr Einfluss gewinne und immer offensicht­licher die Systemfrag­e stelle. Die Nato gerät immer mehr in die Rolle der bedrängten Verteidige­rin. Wie brisant die Gefahren sind, bringt China-Expertin Sarah Kirchberge­r zum Ausdruck: China gehe gegen Taiwan mit einer „Anakonda-Strategie“vor – das Opfer fest umschlinge­nd, ihm langsam die Luft nehmend.

■ Afghanista­n

Diese Perspektiv­e ist besonders prekär für das westliche Bündnis vor dem Hintergrun­d einer gerade krachend gescheiter­ten Afghanista­n-Mission. Die Analyse der Ursachen sei in vollem Gange, berichtet Stoltenber­g. „Wir sollten in Zukunft vorsichtig­er mit der Ausweitung unserer Ambitionen sein.“

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Dpa-BILD: Macdougall Verstehen sich seit Jahren: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g beim Gespräch am Freitag. Die innerstaat­liche Regierungs­bildung wollte Stoltenber­g nicht kommentier­en.
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