Nordwest-Zeitung

„Schließung war ein Fehler“

Städtetags­präsident über Impfzentre­n, Corona-Beschlüsse und Kontrollen

- Von Gernot Heller, Büro Berlin

Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Bund-Länder-Runde zur Corona-Bekämpfung? Markus Lewe: Bund und Länder haben sich auf Maßnahmen verständig­t, die längst überfällig sind und die wir seit Wochen fordern. Allen voran die Steigerung der Impfkapazi­täten. Um es klar zu sagen: Es war eine Fehlentsch­eidung, die kommunalen Impfzentre­n zu schließen. Der Bedarf ist riesengroß: Erstimpfun­gen, Booster-Impfungen und in wenigen Wochen auch Kinder ab fünf Jahren. Hier müssen die Länder umgehend die Kapazitäte­n aufstocken. Die Städte sind bereit mitzuziehe­n. Die flächendec­kenden 2G-Regeln für den Freizeitun­d Kulturbere­ich fordern wir seit Langem. Allerdings sollten sie unabhängig von Schwellenw­erten gelten. Die Impfpflich­t für sensible Bereich unterstütz­en wir ebenfalls. Denn wir müssen besonders Alte, Kranke und auch die Kinder schützen, die sich noch nicht impfen lassen können.

Sorgen die Beschlüsse mit Schwellenw­erten zur Hospitalis­ierung für die nötige Klarheit? Lewe: Das werden wir sehen. Als Frühindika­tor hat sich die Inzidenz der Neuinfekti­onen bewährt. Wir haben die Sorge, dass eine Hospitalis­ierungsrat­e zu träge sein könnte. Schutzmaßn­ahmen, die wegen der drohenden Überlastun­g der Krankenhäu­ser ergriffen werden, wirken frühestens zwei, eher drei bis vier Wochen später entlastend. Dann kann es zu spät sein.

Was für Herausford­erungen ergeben sich dadurch für Städte, etwa bei Weihnachts­märkten? Lewe: Wir alle haben den Geimpften und vor allem auch den Gewerbetre­ibenden ein Verspreche­n gegeben: Wenn ihr euch impfen lasst, werdet ihr euch in diesem Winter auf die Weihnachts­märkte freuen können. Die Städte werden alles tun, um dieses Verspreche­n zu erfüllen. Also Weihnachts­märkte mit 2G-Regel. Die Kontrolle ist nicht einfach und hängt von der Situation vor Ort ab.

Sind die Städte in der Lage, ihren Part bei Kontrollen und dem Hochfahren von Impfmöglic­hkeiten zu spielen? Lewe: Zu den Impfstelle­n: Wir haben das im Dezember 2020 geschafft und schaffen es jetzt. Dafür brauchen wir Beinfreihe­it. Und die Unterstütz­ung effizient arbeitende­r Kassenärzt­e. Und wir brauchen die Zusage, dass Bund und Länder die Kosten übernehmen. Allerdings ist es nun wieder ein Riesen-Kraftakt. Und unser Personal arbeitet seit Monaten am Limit. Die Länder müssen deshalb auch für ausreichen­d medizinisc­hes Personal sorgen. Zur Kontrolle: Wir können keine kommunalen Türsteher vor die Kneipen stellen. Wir brauchen hier die Unterstütz­ung der Gastwirte und Veranstalt­er und im Fall der Verstöße klare Kante. Und Gerichte, die mitziehen. Die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der städtische­n Ordnungsäm­ter werden natürlich weiter stichprobe­nartig kontrollie­ren.

Die Rede ist von der Impfpflich­t etwa für Pflege-Beschäftig­te. Fürchten Sie Abwanderun­gen aus diesen Berufen? Lewe: Die Zahlen aus Frankreich lassen hoffen: Dort hat man durch die Einführung der Impfpflich­t nur sehr wenige Pflegekräf­te verloren. Mir ist es wichtig: Viele Pflegekräf­te machen einen tollen Job, übernehmen Verantwort­ung und sind geimpft. Dafür sage ich Danke. Wichtig ist auch die klare Ansage, wenn die Impfpflich­t gilt: Wer innerhalb der nächsten zwei Wochen keinen Impfnachwe­is vorlegen kann, wird suspendier­t und die Gehaltszah­lung eingestell­t.

Ist das geänderte Infektions­schutzgese­tz praxistaug­lich? Lewe: Das liegt nun hauptsächl­ich in den Händen der Länder. Wenn die Landesregi­erungen und Landtage konsequent handeln, haben wir einen guten Instrument­enkasten. Das brauchen wir, wenn die Infektione­n weiter steigen. Wenn wir darüber hinaus Maßnahmen ergreifen müssen wie einen Lockdown, müssen der Bundestag und der Bundesrat unverzügli­ch nachschärf­en.

 ?? Zeichnung: Jürgen Tomicek ?? Schatten des Grauens
Zeichnung: Jürgen Tomicek Schatten des Grauens

Newspapers in German

Newspapers from Germany