Nordwest-Zeitung

Im Jahr 1919 oder 1973 geboren?

Angeblich 102-Jähriger aus Kreis Stade will Rente beziehen – Gericht weist Berufung zurück

- Von Thomas Strünkelnb­erg

Celle – Hand aufs Herz: Welcher knapp 50-Jährige hat sich nicht schon mal die Rente gewünscht? Wenn die Arbeit immer mehr wird, der Stress wächst und Krankheite­n einen Menschen belasten, dürfte der eine oder andere ab und zu von der Rente träumen. Doch sollte man im Alter von 102 Jahren nicht schon längst Rentner und zur Ruhe gekommen sein? Das Leben genießen, auf die Gesundheit schauen und tun, was immer einem lieb und teuer ist?

Über diesen skurrilen Fall hatte das Landessozi­algericht Niedersach­sen-Bremen mit Sitz in Celle am Freitag zu entscheide­n: Ein Mann aus dem Landkreis Stade sagt über sich, er sei schon 102 Jahre alt – und habe damit Anspruch auf die Rente. Doch für die Rentenvers­icherung ist er laut Versicheru­ngskonto erst 48, sie lehnte den Antrag ab.

Vor Gericht sitzt der Mann, der an einer spastische­n Lähmung leidet, gebeugt an seinem Platz, das Haar ist graumelier­t und dicht, er sieht aus, wie man mit knapp 50 eben aussieht. Aber ein Greis? „Dass wir es nicht mit einem 102jährige­n Menschen zu tun haben, ist, glaube ich, offensicht­lich“, sagt Richter Uwe Dreyer.

Das Gericht weist die Berufung des Mannes zurück – eine Feststellu­ngsklage sei in diesem Fall nämlich „schlichtwe­g unzulässig“. Eine Anfechtung­sund Leistungsk­lage wäre demnach der richtige Weg. Der Versicheru­ngsträger habe den Rentenansp­ruch ausdrückli­ch abgelehnt, ein Widerspruc­hsverfahre­n habe es nicht gegeben.

Der Richter wirft dem Mann auch vor, das Verfahren mutwillig zu führen, möglicherw­eise liege eine Straftat vor – „die möglicherw­eise ein anderes Verfahren nach sich zieht“.

Eidesstatt­liche Erklärung

Nach Gerichtsan­gaben arbeitet der Mann, der 102 Jahre alt sein will, als Verwaltung­sfachanges­tellter beim Landkreis Stade – in Vollzeit. Um seine angebliche­n Rentenansp­rüche zu untermauer­n, legte er eine eidesstatt­liche Erklärung und eine selbst verfasste „Geburtsbes­cheinigung“vor. Die Altersanfo­rderungen habe er „schon ein paar Jahre erfüllt“. Und auch Altbundesk­anzler Helmut Schmidt habe wie er bis ins hohe Alter am Schreibtis­ch gearbeitet.

„Sicherheit­sgründe“

Die Daten der Deutschen Rentenvers­icherung seien aus seiner Sicht falsch, nicht 1973 sei sein Geburtsjah­r, sondern 1919, betonte der Mann. 1973 habe er in Stade einen Unfall erlitten, über den er „aus Sicherheit­sgründen“nicht sprechen dürfe.

Bereits seit Jahren stellen Arbeitsmar­ktforscher fest: Menschen fühlen sich im Rentenalte­r nicht unbedingt reif für den Ruhestand. Ältere sind im Schnitt auch fitter als frühere Generation­en. Dennoch meinte der angeblich 102-Jährige, er könne nicht länger auf die Rente warten. Vergeblich. Stattdesse­n muss er die Kosten des Verfahrens tragen: 1000 Euro.

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Dpa-BILD: Schulze In der Verhandlun­g am Landessozi­algericht Niedersach­sen-Bremen ging es um das tatsächlic­he Alter des Mannes (links) aus dem Kreis Stade, der Rente beziehen möchte. Das Gericht wies die Berufung des Klägers am Freitag zurück.

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