Im Jahr 1919 oder 1973 geboren?
Angeblich 102-Jähriger aus Kreis Stade will Rente beziehen – Gericht weist Berufung zurück
Celle – Hand aufs Herz: Welcher knapp 50-Jährige hat sich nicht schon mal die Rente gewünscht? Wenn die Arbeit immer mehr wird, der Stress wächst und Krankheiten einen Menschen belasten, dürfte der eine oder andere ab und zu von der Rente träumen. Doch sollte man im Alter von 102 Jahren nicht schon längst Rentner und zur Ruhe gekommen sein? Das Leben genießen, auf die Gesundheit schauen und tun, was immer einem lieb und teuer ist?
Über diesen skurrilen Fall hatte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Sitz in Celle am Freitag zu entscheiden: Ein Mann aus dem Landkreis Stade sagt über sich, er sei schon 102 Jahre alt – und habe damit Anspruch auf die Rente. Doch für die Rentenversicherung ist er laut Versicherungskonto erst 48, sie lehnte den Antrag ab.
Vor Gericht sitzt der Mann, der an einer spastischen Lähmung leidet, gebeugt an seinem Platz, das Haar ist graumeliert und dicht, er sieht aus, wie man mit knapp 50 eben aussieht. Aber ein Greis? „Dass wir es nicht mit einem 102jährigen Menschen zu tun haben, ist, glaube ich, offensichtlich“, sagt Richter Uwe Dreyer.
Das Gericht weist die Berufung des Mannes zurück – eine Feststellungsklage sei in diesem Fall nämlich „schlichtweg unzulässig“. Eine Anfechtungsund Leistungsklage wäre demnach der richtige Weg. Der Versicherungsträger habe den Rentenanspruch ausdrücklich abgelehnt, ein Widerspruchsverfahren habe es nicht gegeben.
Der Richter wirft dem Mann auch vor, das Verfahren mutwillig zu führen, möglicherweise liege eine Straftat vor – „die möglicherweise ein anderes Verfahren nach sich zieht“.
Eidesstattliche Erklärung
Nach Gerichtsangaben arbeitet der Mann, der 102 Jahre alt sein will, als Verwaltungsfachangestellter beim Landkreis Stade – in Vollzeit. Um seine angeblichen Rentenansprüche zu untermauern, legte er eine eidesstattliche Erklärung und eine selbst verfasste „Geburtsbescheinigung“vor. Die Altersanforderungen habe er „schon ein paar Jahre erfüllt“. Und auch Altbundeskanzler Helmut Schmidt habe wie er bis ins hohe Alter am Schreibtisch gearbeitet.
„Sicherheitsgründe“
Die Daten der Deutschen Rentenversicherung seien aus seiner Sicht falsch, nicht 1973 sei sein Geburtsjahr, sondern 1919, betonte der Mann. 1973 habe er in Stade einen Unfall erlitten, über den er „aus Sicherheitsgründen“nicht sprechen dürfe.
Bereits seit Jahren stellen Arbeitsmarktforscher fest: Menschen fühlen sich im Rentenalter nicht unbedingt reif für den Ruhestand. Ältere sind im Schnitt auch fitter als frühere Generationen. Dennoch meinte der angeblich 102-Jährige, er könne nicht länger auf die Rente warten. Vergeblich. Stattdessen muss er die Kosten des Verfahrens tragen: 1000 Euro.