Ärzte laufen Sturm gegen Biontech-Deckelung
Darum gibt es Widerstand gegen die Pläne von Minister Spahn
Hannover – Ärztinnen und Ärzte in Niedersachsen protestieren erbittert gegen die angekündigte Begrenzung der Biontech-Impfstofflieferungen. Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Martina Wenker, wies die Pläne als eine „weitere Fehlorganisation“des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zurück. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) verlangte am Sonntag, die „gravierende Fehlentscheidung“zu revidieren – und sprach gar von „Sabotage der Impfkampagne“.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte in einem Schreiben an die Länder betont, dass bis Jahresende genug Impfstoff auch für Auffritont schungsimpfungen zur Verfügung stehe. Neben dem Präparat von Biontech/Pfizer solle dafür aber vermehrt das von Moderna eingesetzt werden. Andernfalls drohten eingelagerte Moderna-Dosen ab Mitte des ersten Quartals 2022 zu verfallen, was aber vermieden werden müsse. Für Biontech sollen daher Höchstbestellmengen definiert werden, wie es in dem Schreiben heißt. Praxen sollen demnach vorerst maximal 30 Dosen pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1020 Dosen. Bewird: „Bestellungen für Moderna-Impfstoff werden keiner Höchstgrenze unterliegen und vollumfänglich beliefert.“
Auch Kinder- und Jugendärzte in Niedersachsen schlossen sich der Kritik an. Die „fehlende Verlässlichkeit“in der Impfstoffbelieferung werde zu immensen Problemen in den Impfsprechstunden der niedergelassenen Ärzte führen, warnte Tilman Kaethner, Landesverbandsvorsitzender des Berufsverbandes der Kinderund Jugendärzte. Viele Praxisinhaber hätten für Wochenenden Impfkampagnen geplant. Diese Planungen würden durch die Beschränkungen über den Haufen geworfen.
■ Lesen Sie ein großes FrageAntwort-Stück zur Frage Moderna oder Biontech auf
Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium hat mit der Ankündigung, beim BiontechImpfstoff „Höchstbestellmengen“einzuführen, damit eingelagerte Moderna-Dosen vor dem Verfall verimpft werden, viel Kritik auf sich gezogen. Worum geht es genau? Ein Überblick:
WieRkamResRüberhauptRzuR demRStreit
Deutschland hat dem Bundesgesundheitsministerium zufolge 16 Millionen Dosen Moderna auf Lager. Bestellt werde aber momentan zu 90 Prozent Biontech. Ab Mitte des ersten Quartals drohten eingelagerte Moderna-Dosen zu verfallen. „Es muss unser gemeinsames Anliegen sein, dies mit allen Mitteln zu verhindern“, heißt es in einem Schreiben des Ministeriums an die Länder. Praxen und Impfzentren sollen nun zunächst nur noch bestimmte Mengen Biontech bestellen dürfen, damit mehr Moderna zum Einsatz kommt. Insgesamt, so betont das Ministerium, sei „genug Impfstoff für alle da“.
WasRheißtRdasRgenau.R WievielRImpfstoffRistRda
Bis zum Jahresende stehen laut Ministerium noch rund 50 Millionen Dosen für Erst-, Zweit- oder Booster-Impfungen zur Verfügung, etwa die Hälfte davon kommt von Biontech, die andere Hälfte von Moderna. Angestrebt werden bis Jahresende 20 bis 25 Millionen Auffrischungsimpfungen. Maximal 25 Millionen Menschen der Gesamtbevölkerung (ca. 30 Prozent) haben, wenn man die Daten des Impfdashboards des Gesundheitsministeriums zugrunde legt, noch keine Impfung erhalten.
WarumRistRdieRKritikRsoR scharf
Ärzte- und Ländervertreter halten es für ein falsches Signal, die Bereitstellung des in Deutschland besonders gut angenommenen Impfstoffs von Biontech zu drosseln, sie befürchten Verunsicherung. Es drohe eine Verlangsamung des Impftempos, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Befürchtet wird, dass Menschen, die schon Booster-Termine mit Biontech vereinbart haben, zögern könnten, wenn ihnen Moderna angeboten wird, und dass in den Praxen durch viele Nachfragen und Umplanung deutliche Mehrarbeit entsteht. Moderna wird zudem nur für Menschen ab 30 empfohlen und nicht für Schwangere.
WieRgutRschütztRModernaR dennRgrundsätzlichRvorR derRDelta-Variante
Sehr gut – darauf weisen Untersuchungen hin. Eine USStudie etwa verglich die Effektivität der Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer mit Blick auf Delta. Ihr Ergebnis: Modernas Spikevax schützt zu rund 76 Prozent vor einer Infektion. Comirnaty von Biontech kam auf 42 Prozent. Die Studien-Autoren weisen allerdings darauf hin, dass die Unterschiede noch bestätigt werden müssten. Eine jüngst veröffentlichte Studie aus Katar tut dies: Der Schutz vor Infektion wie Hospitalisierung ist bei der Delta-Variante bei Spikevax höher als bei Comirnaty, so ihr Ergebnis. Betrachtet man die Dauer des Schutzes, deuten erste Daten darauf hin, dass Moderna auch hier die Nase vorn haben könnte.
UndRModernaRalsRBooster
Dazu gibt es bislang nur erste Hinweise. Es deutet sich an, dass Moderna hier mindestens genauso effektiv ist wie Biontech. So hat das Gesundheitsministerium Singapurs vor einigen Tagen die Ergebnisse eines Vergleichs veröffentlicht, bei dem alle Personen die Grundimmunisierung mit Biontech hatten. Wurden diese auch beim dritten Mal damit geimpft, ergab sich eine Reduzierung des Infektionsrisikos von 62 Prozent. Bekamen sie Moderna, lag sie bei 72 Prozent.
WasRsagenRWissenschaftlerRzurRKombinationRvonR Impfstoffen
Für die Auffrischungsimpfung empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) generell einen mRNA-Impfstoff, auch wenn man vorher einen anderen bekommen hat. Wenn möglich, soll es beim Boostern derselbe mRNA-Wirkstoff sein wie bei der Grundimmunisierung, so das Robert Koch-Institut. Ist dieser nicht verfügbar, könne auch der jeweils andere eingesetzt werden. Lediglich für Personen unter 30 Jahren wird ausschließlich Biontech empfohlen, weil in dieser Altersgruppe bei Moderna das Risiko für bestimmte Herzentzündungen leicht erhöht ist. Die Experten haben also grundsätzlich keine Bedenken hinsichtlich eines möglichen Wechsels.
WasRistReigentlichRmitR nachlassendemR ImpfschutzRgemeint
Dazu sagt Biontech-Gründer Ugur Sahin: Ab dem vierten Monat beginne der Schutz „gegen eine Covid-19-Erkrankung jeglichen Grades“abzunehmen. Ab dem sechsten Monat sinke er deutlich. Vor schwerer Erkrankung schützt die Impfung seinen Angaben zufolge aber weiterhin: „Kürzlich veröffentlichte Daten aus unserer Studie zeigen, dass der Impfschutz noch bis zum neunten Monat sehr hoch ist, sodass es bei Geimpften nur selten zu schweren Erkrankungen und einer Krankenhausbehandlung kommt.“