Spahn torpediert den Impfturbo
Mitten in der vierten Welle kommt einmal mehr Jens Spahn mit einer Hiobsbotschaft um die Ecke. Der beliebte mRNA-Impfstoff von Biontech muss rationiert werden. Das teilte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister nun mit. Ärzte sollen für ihre Praxen nur noch 30 BiontechDosen pro Woche, Impfzentren gut 1000 bestellen können.
Wie bitte? Der Bund hat mehr als 16 Millionen Dosen des ebenfalls hochwirksamen mRNA-Vakzins Moderna im Lager. Die Haltbarkeit dieser Impfvorräte laufe Mitte des ersten Quartals 2022 ab, warnt Spahn. Deshalb müsse jetzt vorrangig Moderna verimpft werden. Außerdem schrumpfen die Biontech-Bestände, weil die Booster-Nachfrage so hoch ist und Deutschland im November knapp neun Millionen BiontechDosen an Entwicklungs- und Schwellenländer gespendet hat.
Spahns Argumente mögen inhaltlich richtig sein. Niemand möchte, dass wertvoller Impfstoff verfällt (und ärmere Länder haben ein Recht auf Solidarität). Aber ausgerechnet zum Start der Booster-Kampagne, mit der Bund und Länder einen Kollaps des Gesundheitssystems verhindern wollen, den Bürgern mit der Nachricht vor den Kopf stoßen, dass es zu wenig Biontech gibt, ist fahrlässig. Spahn torpediert damit sehenden Auges den dringend benötigten Impfturbo.
Wusste er bislang etwa nicht, dass die eingelagerten Moderna-Dosen bald ablaufen? Ansonsten hätte die Bundesregierung ja Millionen Dosen Moderna statt Biontech frühzeitig an die internationale Impfkampagne Covax abgeben können. Die Regierung erwidert, die Verträge mit Moderna würden eine Weitergabe an Drittstaaten nicht hergeben. Hat Spahn es überhaupt versucht, mit dem US-Konzern darüber zu reden? Und der CDU-Politiker hätte Länder und Ärzteschaft viel früher informieren müssen, dass Moderna aus besagten Gründen im Herbst und Winter der Impfstoff der Wahl sein sollte, um die Lagerbestände zu reduzieren. Stattdessen buchten die Menschen fleißig Booster-Termine und setzten ihr Häkchen beim vertrauten Biontech.
Nun stehen überlastete Ärzte vor der schwierigen Aufgabe, jeden Biontech-Bewerber aufzuklären, dass es Moderna sein muss. Das Vakzin ist ebenfalls hoch wirksam und für einen Booster nach zweimal Biontech hervorragend geeignet. Doch Biontech, Made in Germany, hat sich bei den Bürgern eben einen Ruf als Premiumwirkstoff erworben. Spahns missglückte Kommunikation ist nicht dazu angetan, das Vertrauen in den Staat zu stärken. Der Impfkampagne leistet der scheidende Gesundheitsminister damit einen Bärendienst.