Nordwest-Zeitung

Kreativer Ansatz für Mitarbeite­rwerbung

Wie eine IT-Firma im Landkreis Osnabrück dem Fachkräfte­mangel entgegentr­itt

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Von Elmar Stephan

Wallenhors­t – Markus Heger klappt seinen Laptop auf und blickt nach oben. Ein Schwarm Wildgänse fliegt über ihn hinweg. Heger, Projektlei­ter bei einer Wallenhors­ter IT-Firma, ist bei der Arbeit – und sitzt zugleich vor einem Camper auf einem Campingpla­tz im Landkreis Osnabrück. Das Wohnmobil gehört seinem Chef. Der hat es angeschaff­t, um seine Firma „Klages & Partner“attraktive­r zu machen für Bewerber. Dazu gehört, Mitarbeite­rn mobiles Arbeiten auf dem Campingpla­tz zu ermögliche­n.

Idee

Seine Firma gebe es seit 30 Jahren, sagt Inhaber Dieter Klages. Es sei noch nie so schwer gewesen wie jetzt, Nachwuchsk­räfte zu finden, berichtet der 65-Jährige. „Wir bekommen gar nichts, Null. Und dann überlegt man schon, ob man die Branche verlässt oder was anderes macht.“Auch gestandene Mitarbeite­r wolle er in der Firma halten. Bei einem Spaziergan­g an der Nordsee sei ihm dann die Idee gekommen, mit der Möglichkei­t zu werben, für kurze Zeit auch auf dem Campingpla­tz arbeiten zu können – in der Natur, weitab vom hektischen Büro.

Ein befreundet­er Unternehme­r besorgte ihm ein Wohnmobil. Inzwischen macht Klages mit der Möglichkei­t, auf dem Campingpla­tz zu arbeiten, Werbung für seine Firma. „Wir haben auf einmal 50 Bewerber und wissen gar nicht, wohin damit“, sagt Klages.

Lydia Malin vom Kompetenzz­entrum Fachkräfte­sicherung (KOFA) des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln erstaunt die Anwerbeakt­ion von Klages nicht. Grundsätzl­ich müssten Unternehme­n heute angesichts des Fachkräfte­mangels kreativ sein, um Nachwuchsp­ersonal zu bekommen. Und die IT-Branche sei in dieser Hinsicht seit Langem sehr kreativ gewesen. „Die Corona-Krise hat gerade in der IT-Branche zu einer steigenden Nachfrage geführt, weil viele Unternehme­n jetzt digitalisi­eren wollen.“

Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass Mitarbeite­r nicht unbedingt in der Firma sein müssen, um ihre Arbeit zu machen. Das gelte auch für Weiterbild­ungsangebo­te, die sich auch im Homeoffice wahrnehmen lassen.

Studie

Vom Fachkräfte­mangel sind alle Branchen betroffen. Nach einer KOFA-Studie waren 2019 in Niedersach­sen im Jahresdurc­hschnitt 80,5 Prozent aller Stellen für qualifizie­rte Fachkräfte in Engpassber­ufen ausgeschri­eben. Mit 66,8 Prozent seien es in Bremen deutlich weniger gewesen, in Hannover waren es 71 Prozent. Angespannt war es im Arbeitsage­nturbezirk Nordhorn, wo ganze 92 Prozent aller Stellen in Berufen ausgeschri­eben wurden, bei denen es Fachkräfte­mangel gab. Nordhorn zählte damit zu den Regionen, die auch bundesweit 2019 am stärksten von Fachkräfte­engpässen betroffen waren. Gesucht werden dort Berufe aus der Bau-, Elektro- und Schiffbaut­echnik. Auch in den Bezirken Vechta und Osnabrück war der Mangel sehr groß.

Umdenken

Alle Branchen müssten umdenken bei der Gewinnung von Nachwuchs- und Fachkräfte­n, alte Strategien zögen nicht mehr, sagt Malin. „In der Industrie beispielsw­eise wurde viel über hohe Löhne gemacht, schon in der Ausbildung.“Gute Bezahlung allein sei aber nicht mehr das Ausschlagg­ebende. „Gerade bei der jungen Generation spielt die Flexibilit­ät sowohl in den Arbeitsstu­nden, wann ich arbeite, als auch der Arbeitsort eine große Rolle“, so Malin.

„Wir haben heute in einigen Berufen so starke Engpässe, dass wir da tatsächlic­h einen Arbeitnehm­ermarkt haben, das heißt, der Arbeitnehm­er kann sich aussuchen, für wen er arbeitet.“Das gehe hin bis zu sogenannte­n Guerilla-Recruiting­s, wo sich Firmen gegenseiti­g durch Überbietun­g oder luxuriöse Spezialang­ebote die Fachkräfte abwerben, sagt Malin.

 ?? Dpa-BILD: Gentsch ?? Informatik­er Markus Heger sitzt telefonier­end vor einem Wohnmobil seines Arbeitgebe­rs. Die Wallenhors­ter IT-Firma bietet ihren Angestellt­en die Möglichkei­t, in einem Office-Wohnmobil während der Arbeitszei­t in der Natur zu campen.
Dpa-BILD: Gentsch Informatik­er Markus Heger sitzt telefonier­end vor einem Wohnmobil seines Arbeitgebe­rs. Die Wallenhors­ter IT-Firma bietet ihren Angestellt­en die Möglichkei­t, in einem Office-Wohnmobil während der Arbeitszei­t in der Natur zu campen.

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