Ein Verein in Unruhe
Kommentar
Lars0Blancke0über er an Werder Bremen denkt, kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Zwei Jahre nervenaufreibender Abstiegskampf gipfelnd im Absturz in Liga zwei. Der finanzielle Existenzkampf, der bereits vor der Pandemie aufkam. Die ständige Unruhe um den bei den Fans in Ungnade gefallenen Sportchef Frank Baumann. Die kuriose, weil viel zu späte Trainertrennung von Florian Kohfeldt vor dem letzten Spieltag der Vorsaison. Der Streit um die Besetzung des Aufsichtsrats. Wurden vor ein paar Jahren aufgrund des Dauer-Theaters im Verein deutschlandweit Witze auf Kosten des Hamburger SV gemacht, hat Werder dem Nordrivalen in dieser Hinsicht den Rang abgelaufen.
Die Impfpass-Affäre um Markus Anfang setzt dem Ganzen die Krone auf. Fraglos, an diesem menschlichen wie sportlichen Drama trägt beim SV Werder keiner die Schuld. Außer Anfang selbst, sollten sich die offenbar stichhaltigen Beweise bestätigen, dass er sein Impfzertifikat manipuliert hat. Die Indizienlage sei „sehr klar“, sagt Werders Geschäftsführer Klaus Filbry – bei laufenden Ermittlungen ist das schon eine eindeutige Aussage. Dass ein gestandener Trainer derart verantwortungslos handelt, dass er sich selbst und alle anderen im Club, mit denen er täglich Kontakt hatte, scheinbar belogen und gefährdet hat, macht ihn offenkundig untragbar.
Die Anfang-Affäre passt in das Bild eines Vereins, der einfach nicht zur Ruhe kommt, und der fürchten muss, weiter in der sportlichen Bedeutungslosigkeit zu versinken. Aber wer weiß: Vielleicht löst der weitere (unverschuldete) Imageschaden auch eine Jetzterst-Recht-Mentalität aus. Die Spieler jedenfalls haben gegen Schalke 04 gut reagiert, ein 1:1 gegen den Mitabsteiger muss bei dieser hanebüchenen 48stündigen Vorgeschichte als Erfolg gewertet werden. Ein neuer Trainer kann bekanntlich auch eine neue Chance sein. Seine erste Aufgabe ist es, Ruhe auszustrahlen und den Fokus auf Fußball zu lenken.