Impfpflicht und das Politikversagen
Was für ein Armutszeugnis! Da geht Deutschland in den dritten Winter der Pandemie – und steht schlechter da als je zuvor. Obwohl es reichlich Impfstoff gibt, sind die Infektionszahlen hoch wie nie und Kliniken in Not. Nun stehen wir wieder da, wo wir 2020 standen. Denn die Maßnahmen der Länderchefs reichen nicht, sie kommen zu spät.
Hatten Kanzlerin und Ministerpräsidenten eine allgemeine Impfpflicht immer ausgeschlossen, fallen Spitzenpolitiker nun reihenweise um. Dass sie nach 20 Monaten Pandemie die Politik zu dieser Zwangsmaßnahme greifen wollen, dokumentiert ihr Scheitern.
Gescheitert ist Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Dass er wegen falscher Spendenpolitik nun mit Biontech ausgerechnet den Impfstoff rationieren muss, zu dem die Bürger das meiste Vertrauen haben, setzt seine Pannenserie fort.
Gescheitert ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung, deren Chef Andreas Gassen noch vor wenigen Wochen einen Freedom Day ausrufen wollte – und nun nicht einmal rechtzeitig Booster-Impfungen für alle abliefern kann.
Auch fragt man sich, warum die Kanzlerin die Dinge in den vergangenen Wochen einfach hat laufen lassen.
Jetzt also soll es eine allgemeine Impfpflicht richten. Dafür spricht, dass nur mit einer deutlich höheren Impfquote die Pandemie gestoppt werden kann. Dafür spricht auch, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo sie die Freiheit des anderen verletzt. Die Politik kann nicht tatenlos zusehen, wie die Kliniken in eine Lage wie einst in Bergamo kommen.
Dagegen spricht aber der massive Vertrauensverlust, den Söder und Co. durch eine Impfpflicht auslösen. Das ist Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern und AfD. Was gilt dann künftig noch das Wort in der Politik? Aber auch in der Sache führt eine Impfpflicht nicht weiter: Soll die Polizei Impfunwillige abführen und Ärzten zum Zwangsimpfen bringen? Oder will man monatelang um Bußgelder prozessieren? Wer Impfunwillige umstimmen will, muss sie in ihrem Alltag packen. Wenn Argumente sie nicht überzeugen, dann vielleicht ein exklusiver Lockdown: Wer ungeimpft nirgendwo mehr hingehen darf außer zum Supermarkt, findet vielleicht doch den Weg zum Arzt.
Genauso hat es Israel mit seinem grünen Pass gemacht. Zudem hat das Land mutig geboostert und sich nicht durch eine Impfkommission aufhalten lassen. So konnte die vierte Welle früh gebrochen werden. In Deutschland lautet die Alternative nun Lockdown für Wirtschaft oder Schulen. Kinder aber dürfen nie mehr weggesperrt werden, weil Millionen Erwachsene den Ernst der Lage nicht verstehen.
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