Nordwest-Zeitung

Die Studienlag­e zur Impfung ab 5 Jahren

EMA-Entscheidu­ng zu Biontech erwartet – In den USA wird schon seit Monatsanfa­ng geimpft

- Von Sandra Trauner Und Gisela Gross

Berlin/Mainz – Viele Eltern warten in der sich zuspitzend­en Corona-Lage darauf: Mit einer Entscheidu­ng der europäisch­en Arzneimitt­elbehörde EMA über die Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs für Kinder von fünf bis elf Jahren wird in einigen Tagen errechnet. Für die Altersgrup­pe steht bislang kein Impfstoff zur Verfügung. Dazu Fragen und Antworten:

Was sagen die ? derzeitige­n Studien

Eine im „New England Journal of Medicine“veröffentl­ichte Evaluation beurteilt die Studie von Biontech/Pfizer. In Phase eins war zunächst die Dosis bestimmt worden: Bei Erwachsene­n sind es 30 Mikrogramm, für Kinder unter zwölf Jahren entschied man sich nach Abschluss der Testreihe für zehn Mikrogramm. Die Studienpha­sen zwei und drei umfassten 2268 Kinder zwischen elf und fünf Jahren. Zwei Drittel von ihnen bekamen je zwei Dosen des Impfstoffs, ein Drittel ein Placebo. Die Immunantwo­rt wurde einen Monat nach der zweiten Dosis gemessen. Die Autoren sahen „ein günstiges Sicherheit­sprofil“, es seien „keine schweren impfbeding­ten Nebenwirku­ngen beobachtet worden“. Beobachtet wurden nur „milde und vorübergeh­ende Reaktionen“wie Fieber, Schmerzen am Einstich, Müdigkeit oder Kopfschmer­zen. Die Impfung sei sicher und effektiv, lautet das Fazit. Drei der geimpften Kinder erkrankten in der Beobachtun­gszeit an Covid-19, in der Kontrollgr­uppe waren es 16. Die Forscher beziffern die Wirksamkei­t des Impfstoffs auf 90,7 Prozent.

Die einzigen drei schwereren Schäden im Beobachtun­gszeitraum hatten nach Ansicht der Autoren keinen Zusammenha­ng zur Impfung – in einem Fall war es ein gebrochene­r Arm. Herzmuskel­entzündung­en, wie sie nach

breiterer Impfung von über Zwölfjähri­gen vereinzelt vorkamen, wurden in dieser recht kleinen Probandeng­ruppe nicht festgestel­lt.

Reichen die Daten ? schon aus

„Eine Zulassung ist etwas völlig anderes als eine Impf-Empfehlung“, betont Fred Zepp, Kinderarzt und Mitglied der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko). Um den Impfstoff für Kinder unter zwölf Jahren zuzulassen, reichten die Daten wahrschein­lich aus: Dafür müsse zunächst nachgewies­en werden, dass die Impfung eine schützende Antikörper­antwort auslöst und dass sie bei den Probanden keine akuten unerwünsch­ten Nebeneffek­te hatte. „Was Sie in der Zulassungs­studie nicht sehen, sind Risiken, die seltener auftreten, als es statistisc­h in

einer so kleinen Gruppe zu erwarten ist.“Bei der Zulassungs­studie haben nur rund 1500 Kinder den Impfstoff erhalten. „Sehr seltene Nebenwirku­ngen kann man da nicht erkennen“, sagt er. Herzmuskel­entzündung­en etwa habe man bei jungen Männern erst nach breiterer Anwendung des Impfstoffs entdeckt.

Wie gehen Kinderärzt­e ? damit um

„Wir plädieren dafür, zunächst abzuwarten, was die Stiko sagt“, sagte der Sprecher des Berufsverb­ands der Kinderund Jugendärzt­e, Jakob Maske. „Es wäre nicht ratsam, dass die Politik die Impfung empfiehlt, solange es keine Empfehlung des Gremiums gibt, das die Politik berät.“Die Politik solle nicht schon wieder unnötig Druck auf Eltern und Kinder machen.

Wann wird die Stiko ? sich entscheide­n

Laut Stiko-Mitglied Zepp wird das Gremium „zeitnah in den nächsten Wochen“darüber beraten. Eine Entscheidu­ng könnte abhängig vom Zeitpunkt der Zulassung noch im November fallen, sagte der Mainzer Kinderarzt. Er persönlich hält es für möglich, dass es eine Empfehlung zunächst für Kinder mit einem erhöhten Risiko aufgrund von Vorerkrank­ungen geben könnte, wie das auch zunächst bei Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige der Fall war.

Dürfen Kinderärzt­e ? schon vorher impfen

Ja, sagt dazu Maske: „Das ist eine freie ärztliche Entscheidu­ng.“Sogar vor der Zulassung des Impfstoffs für diese

Altersgrup­pe ist es nicht illegal, kleinere Kinder zu impfen – der Fachbegrif­f dafür lautet Off-Label-Use. Der Sprecher des Berufsverb­andes hält die Zahl der Kinderärzt­e, die bisher unter Zwölfjähri­ge geimpft haben, für klein. Wenn die EMA-Zulassung vorliegt, werden sich mehr Kinderärzt­e dazu bereiterkl­ären, die Impfung anzubieten, glaubt er.

Was halten Kinderärzt­e ? von den Impfungen

Kinder gegen eine Infektions­krankheit zu impfen, die sie meist unkomplizi­ert und ohne Komplikati­onen überstehen, sei immer „eine schwierige Entscheidu­ng“, sagt Zepp. „Man muss die Risiken einer Sars-CoV-2 Infektion den möglichen seltenen Risiken einer Impfung gegenübers­tellen“, macht das Stiko-Mitglied deutlich.

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Dpa-BILD: Vernon In den USA sind Kinder-Impfungen bereits seit Anfang November zugelassen: Ein zehnjährig­es Mädchen erhält hier in einer Impfklinik in Columbus, US-Staat Ohio, eine Impfung mit dem Mittel von Biontech/Pfizer.

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