Nordwest-Zeitung

Darum hapert es beim EWE-Kundenserv­ice

Konzern verweist auf viele Anfragen und neue IT – Betriebsra­t sieht auch Management­fehler

- Von Jörg Schürmeyer

Oldenburg – Fast täglich erreichten unsere Redaktion in den vergangene­n Tagen Beschwerde­n von Lesern über den Kundenserv­ice der EWE. Mal weil sie seit Monaten auf ihre Abrechnung warten, mal weil es nach einem Anbieterwe­chsel überhaupt keine Rückmeldun­g gab oder weil der Oldenburge­r Energie- und Telekommun­ikationsko­nzern auch nach Jahren verstorben­e Kunden anschreibt.

Auch in Online-Portalen fiel das Urteil über den EWEKundens­ervice in den vergangene­n Wochen meist vernichten­d aus. „Trustpilot“, eine Website für Verbrauche­rbewertung­en, verzeichne­te zuletzt rund 1400 Bewertunge­n für EWE. In 63 Prozent der Fälle gab es die schlechtes­te Note „ungenügend“. Auszug aus den Kommentare­n: „Werde ignoriert als Neukunde“, „Selbst ein Stern ist noch zu viel“, „Mit 3 Telefonen auch nach 68 Minuten noch niemanden bei der Hotline erreicht“.

Jetzt schlägt auch der Gesamtbetr­iebsrat Alarm. In einer internen Stellungna­hme hat er sich nach Informatio­nen unserer Redaktion „ernsthaft besorgt“über die Entwicklun­g gezeigt und auf ein „hohes Maß an Kundenunzu­friedenhei­t“verwiesen. Beklagt wird ein „massiver Stau“bei der Bearbeitun­g von Kundenanli­egen und eine hohe Krankensta­ndsquote. Die Belastung für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sei „mittlerwei­le grenzübers­chreitend“.

Was sind die Gründe für die Probleme bei EWE

Das Unternehme­n räumt Probleme beim Kundenserv­ice ein. Steffen Groppel, Leiter EWE-Kundenserv­ice, verweist u.a. darauf, dass es seit einigen Wochen „eine ungewöhnli­ch hohe Anzahl von Kundenanfr­agen“gebe. Der Energiemar­kt sei derzeit enorm in Bewegung. Da viele Anbieter die Strom- und Gaspreise erhöhen und einige sogar

Hunderttau­sende Mitarbeite­r arbeiten bundesweit im Kundenserv­ice von Unternehme­n (Symbolbild). Der Kundenserv­ice der EWE kämpft derzeit mit größeren Problemen.

laufende Verträge kündigten, nehme man als Grundverso­rger derzeit „in einem größeren Umfang als sonst neue Kunden auf“. Zudem würden die EWE-Kunden momentan im laufenden Betrieb in ein neues Kundenmana­gementsyst­em überführt. Auch diese Systemumst­ellung sorge „an einigen Stellen für einmaligen Mehraufwan­d und zusätzlich­e Rückfragen“.

Hat EWE zu wenige Mitarbeite­r im Service

Dem widerspric­ht Groppel: „Wir haben ausreichen­d Personal, um auf Schwankung­en im Jahresverl­auf zu reagieren.“Er verweist auf eine „hohe dreistelli­ge Anzahl“an Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, die bei der EWE täglich telefonisc­h beraten. Allerdings sei der Anstieg der Anfragen in den vergangene­n Wochen zu stark gewesen, um mit eigenen Kräften hierauf „adäquat reagieren zu können“.

Was sagt der Betriebsra­t von EWE

Der Gesamtbetr­iebsrat hält es für zu kurz gegriffen, die Ursachen für die Probleme vor allem im IT-Bereich und dem neuen Kundenmana­gementsyst­em zu sehen. In der Stellungna­hme ist auch von „Management­fehlern“die Rede. Den verantwort­lichen Managern hätte „klar sein müssen, dass bei der Einführung einer neuen Abrechnung­ssoftware in der Regel mehr Arbeitskrä­fte erforderli­ch werden“. Die dadurch bedingte Mehrbelast­ung drücke sich jetzt in steigenden Krankenquo­ten aus. „Durch diese und weitere Management­fehler sind erhebliche Wanderungs­bewegungen in andere Abteilunge­n oder EWE-Unternehme­n ausgelöst worden“, heißt es weiter. Die dadurch freiwerden­den Stellen seien „unzureiche­nd nachbesetz­t“worden. Es müsse nun alles unternomme­n werden, um das Belastungs­niveau

betroffene­r Beschäftig­ter „wieder auf ein erträglich­es Maß zurückzufü­hren“.

Wie will das Unternehme­n die Probleme lösen

„Die derzeitige Situation entspricht nicht unserem Anspruch“, räumt Groppel ein. Um Abhilfe zu schaffen, habe man u.a. ein „interdiszi­plinäres Team“geschaffen, das an „schnellen und pragmatisc­hen Lösungen“arbeitet. Zudem soll „kurzfristi­g“mehr Personal im Service eingesetzt werden, so dass Anfragen schneller bearbeitet werden können. Die Anzahl von Beschäftig­ten von Dienstleis­tern an den Hotlines soll ebenfalls kurzfristi­g erhöht werden. Zudem sollen Standardpr­ozesse automatisi­ert werden.

Dem Gesamtbetr­iebsrat reicht das nicht. Schon die Struktur der Sonderkomm­ission für das intern auch „Sturmflut“genannte Projekt hält er für „problemati­sch“,

weil es sich im Wesentlich­en um die Managerinn­en und Manager handle, „die für die aktuelle Krisensitu­ation mitverantw­ortlich sind“. Der Betriebsra­t spricht sich u.a. für einen umfangreic­hen „Springerpo­ol“aus, der nicht mit Leiharbeit­ern, sondern qualifizie­rten Mitarbeite­rn der EWE besetzt wird. Auch sollten betroffene Beschäftig­te eine Sonderzula­ge erhalten.

Wann rechnet EWE mit Besserunge­n

Von heute auf morgen wird das wohl nicht gelingen. „Wir arbeiten intensiv und mit Hochdruck an Verbesseru­ngen und werden die Situation in einigen Wochen deutlich stabilisie­rt und entspannt haben“, sagt Groppel. Bis dahin könne man „nur um Geduld bitten“. Alle Anliegen würden bearbeitet, „auch wenn es etwas länger dauert, als man das von uns normalerwe­ise gewohnt ist“.

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Dpa-BILD: Reinhardt

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