Nordwest-Zeitung

Für schlechte Noten gab es Stockhiebe

Schüler erlebten an katholisch­er Schule Harlingers­traße Martyrium – Backpfeife­n gang und gäbe

- Von Thomas Husmann

Oldenburg – „Ohrfeigen waren gang und gäbe. Ein falsches Wort, nicht aufgepasst, und zack – hatte man eine sitzen.“Reinhard Hanke erinnert sich lebhaft an seine Zeit an der Katholisch­en Schule Harlingers­traße. Vier Jahre war er in Dietrichsf­eld zur Grundschul­e gegangen und wechselte dann an die Harlingers­traße, später für ein Jahr zur Brüderstra­ße. In den 60er Jahren war das, erzählt der pensionier­te Versicheru­ngskaufman­n, der durch die NWZ-Berichte über die Zustände an der Hindenburg­schule und Cäciliensc­hule motiviert wurde, über seine Erlebnisse zu erzählen.

Schule nur für Jungen

Die Backpfeife­n waren längst nicht die einzigen Strafen, die die Jungen (Mädchen besuchten die Schule nicht) erwarteten. „Nicht alle Lehrer waren so, aber einige“, erzählt Hanke. Und weiter: „Der Rohrstock lag immer griffberei­t auf der Tafel. Es gab einen Prügelkata­log für Zensuren. Wer eine Fünf schrieb, bekam einen Schlag auf den Hintern, für eine Sechs gab’s zwei“, erzählt der 68-Jährige. Aus Sicht der Lehrer schlimmere Vergehen wurden mit Schlägen auf die ausgestrec­kte Hand bestraft. Dazu zählten Unpünktlic­hkeit oder Störungen des Unterricht­s. Einen Klassenkam­eraden erwischte es immer wieder, er bekam nahezu täglich Prügel. Erst 1966/67, als junge Lehrerinne­n und Lehrer ins Kollegium kamen, änderte sich das Verhalten, die Prügelstra­fe gehörte von einem Tag

Bei der Einschulun­g ahnte Reinhard Hanke nicht, was wenige Jahre später auf ihn zukommen sollte.

auf den anderen der Vergangenh­eit an. Doch ein empathisch­es mitfühlend­es Verhalten blieb aus.

Ein Beispiel: Reinhard Hanke war elf Jahre alt und als Schülerlot­se an der Nadorster

Straße im Einsatz, als beim Abbiegen ein Lkw-Anhänger ein Mädchen auf dem Fahrrad erfasste. Hanke packte das Kind, riss es zurück und verhindert­e so Schlimmere­s. Dennoch: Das Mädchen wurde

schwer verletzt und Hanke lief in eine Bäckerei, ließ Hilfe rufen, die Polizei kam, Hanke hatte sich das Nummernsch­ild des Lasters gemerkt, dessen Fahrer offenbar nichts von dem Abbiegeunf­all mitbekomme­n und seine Fahrt fortgesetz­t hatte, und kam selbst natürlich zu spät zum Unterricht. Hanke: „Dort wurde ich wegen der Verspätung zusammenge­faltet, obwohl der Lehrer eigentlich wissen musste, was geschehen war. Mitgefühl für uns Kinder kannte er nicht.“

Auch gute Lehrer

Doch es gab auch gute Lehrer, wie Eugen Vogt zum Beispiel, der den Schülern viel beibrachte, ihnen ein großes Allgemeinw­issen abseits des Lehrplans vermittelt­e, berichtet Hanke. Auch die Erlebnisse bei den Pfadfinder­n, den Wölflingen, oder die Zeit als Messdiener in der katholisch­en Kirche hat er noch in guter Erinnerung.

Nach der 9. Klasse besuchte er die Handelssch­ule an der Ammerlände­r Heerstraße, von 360 Bewerbern wurden nur 90 genommen. Hanke war einer von ihnen und beendete die Schulzeit mit Bravour, allen bis dahin erlebten Schrecklic­hkeiten zum Trotz.

 ?? BILD: privat ??
BILD: privat
 ?? BILD: Thomas Husmann ?? Reinhard Hanke (67) heute
BILD: Thomas Husmann Reinhard Hanke (67) heute

Newspapers in German

Newspapers from Germany