Für schlechte Noten gab es Stockhiebe
Schüler erlebten an katholischer Schule Harlingerstraße Martyrium – Backpfeifen gang und gäbe
Oldenburg – „Ohrfeigen waren gang und gäbe. Ein falsches Wort, nicht aufgepasst, und zack – hatte man eine sitzen.“Reinhard Hanke erinnert sich lebhaft an seine Zeit an der Katholischen Schule Harlingerstraße. Vier Jahre war er in Dietrichsfeld zur Grundschule gegangen und wechselte dann an die Harlingerstraße, später für ein Jahr zur Brüderstraße. In den 60er Jahren war das, erzählt der pensionierte Versicherungskaufmann, der durch die NWZ-Berichte über die Zustände an der Hindenburgschule und Cäcilienschule motiviert wurde, über seine Erlebnisse zu erzählen.
Schule nur für Jungen
Die Backpfeifen waren längst nicht die einzigen Strafen, die die Jungen (Mädchen besuchten die Schule nicht) erwarteten. „Nicht alle Lehrer waren so, aber einige“, erzählt Hanke. Und weiter: „Der Rohrstock lag immer griffbereit auf der Tafel. Es gab einen Prügelkatalog für Zensuren. Wer eine Fünf schrieb, bekam einen Schlag auf den Hintern, für eine Sechs gab’s zwei“, erzählt der 68-Jährige. Aus Sicht der Lehrer schlimmere Vergehen wurden mit Schlägen auf die ausgestreckte Hand bestraft. Dazu zählten Unpünktlichkeit oder Störungen des Unterrichts. Einen Klassenkameraden erwischte es immer wieder, er bekam nahezu täglich Prügel. Erst 1966/67, als junge Lehrerinnen und Lehrer ins Kollegium kamen, änderte sich das Verhalten, die Prügelstrafe gehörte von einem Tag
Bei der Einschulung ahnte Reinhard Hanke nicht, was wenige Jahre später auf ihn zukommen sollte.
auf den anderen der Vergangenheit an. Doch ein empathisches mitfühlendes Verhalten blieb aus.
Ein Beispiel: Reinhard Hanke war elf Jahre alt und als Schülerlotse an der Nadorster
Straße im Einsatz, als beim Abbiegen ein Lkw-Anhänger ein Mädchen auf dem Fahrrad erfasste. Hanke packte das Kind, riss es zurück und verhinderte so Schlimmeres. Dennoch: Das Mädchen wurde
schwer verletzt und Hanke lief in eine Bäckerei, ließ Hilfe rufen, die Polizei kam, Hanke hatte sich das Nummernschild des Lasters gemerkt, dessen Fahrer offenbar nichts von dem Abbiegeunfall mitbekommen und seine Fahrt fortgesetzt hatte, und kam selbst natürlich zu spät zum Unterricht. Hanke: „Dort wurde ich wegen der Verspätung zusammengefaltet, obwohl der Lehrer eigentlich wissen musste, was geschehen war. Mitgefühl für uns Kinder kannte er nicht.“
Auch gute Lehrer
Doch es gab auch gute Lehrer, wie Eugen Vogt zum Beispiel, der den Schülern viel beibrachte, ihnen ein großes Allgemeinwissen abseits des Lehrplans vermittelte, berichtet Hanke. Auch die Erlebnisse bei den Pfadfindern, den Wölflingen, oder die Zeit als Messdiener in der katholischen Kirche hat er noch in guter Erinnerung.
Nach der 9. Klasse besuchte er die Handelsschule an der Ammerländer Heerstraße, von 360 Bewerbern wurden nur 90 genommen. Hanke war einer von ihnen und beendete die Schulzeit mit Bravour, allen bis dahin erlebten Schrecklichkeiten zum Trotz.