Woran es im Corona-Kampf weiter hakt
Bald ist die Marke von 100 000 Covid-19-Toten erreicht – Politischer Handlungsdruck steigt
Berlin – Deutschland galoppiert bei den Corona-Zahlen von einem Negativrekord zum nächsten. Die Zahl der Covid19-Toten liegt nur noch knapp unter 100000. Bereits an diesem Donnerstag könnte die Marke überschritten sein. Das Gesundheitssystem ist vielerorts am Limit – und die politischen Spitzen sind sich uneins.
Wie ist die Lage in den Krankenhäusern
Die exponentiell steigenden Infektionszahlen schlagen sich immer stärker auf den Intensivstationen nieder. Inzwischen sind die Krankenhäuser in einigen Bundesländern so sehr belastet, dass bundesweit rund 80 Patienten verlegt werden müssen. Damit soll sichergestellt werden, dass notwendige intensivmedizinische Behandlungen noch geleistet werden können. Betroffen sind im Osten des Landes aktuell Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, im Süden bereitet sich Bayern auf Patientenverlegungen vor. Diese erfolgen nach dem sogenannten Kleeblatt-Verfahren, das Bund und Länder bereits im Frühjahr 2020 entwickelt hatten und das nun in der vierten Welle erstmals zum Einsatz kommt.
Wie wird politisch reagiert
Der politische Handlungsdruck steigt massiv. Doch es herrscht Uneinigkeit über das weitere Vorgehen zwischen Gerade-Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und FastSchon-Kanzler Olaf Scholz (SPD). Am Dienstagabend berief Merkel die Spitzen von SPD, Grüne und FDP zu einem Krisengespräch ein. Die Kanzlerin habe bei diesem Treffen „den außerordentlichen Ernst der Lage, wie sie ihn wahrnimmt, deutlich gemacht“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Jetzt müsse es darum gehen, das Nötige zu tun, um diese vierte Welle „so schnell es geht zu bremsen und zu brechen“. Für welche konkreten Schritte die Kanzlerin warb, sagte Seibert nicht, da es sich um ein vertrauliches Gespräch gehandelt habe. Fest steht allerdings, dass die Kanzlerin das Ende der epidemischen Lage, die bereits an diesem Donnerstag ausläuft, für einen Fehler hält. Scholz hingegen hält weiter an dieser Entscheidung der baldigen Ampel-Koalition fest.
Was hat es mit den Alarmwerten bei der Auslastung der Krankenhäuser auf sich
Der neue Notfallmechanismus schreibt schärfere Corona-Maßnahmen vor, wenn bestimmte Schwellenwerte in den Kliniken in einem Bundesland überschritten werden. Bund und Länder haben sich in der vergangenen Woche auf den Mechanismus geeinigt, besonders Merkel drang darauf. Doch es gibt erhebliche Kritik daran, sogar aus dem Robert Koch-Institut (RKI). Hintergrund sind Verzerrungen bei der zugrundeliegenden Hospitalisierungsinzidenz, also der Zahl der Krankenhausaufnahmen von Corona-Patienten pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen.
Laut RKI kommt es dabei zu erheblichen Unschärfen, etwa weil die Länder ihre Daten mit Zeitverzug oder unterschiedlicher Genauigkeit an das RKI melden. Eine sinkende Hospitalisierungsinzidenz bedeutet nicht automatisch, dass weniger Menschen ins Krankenhaus kommen, sondern kann auch an überstrapazierten Meldekapazitäten liegen. „Das System ist am Ende seiner Kapazität angekommen“, heißt es aus dem RKI.
Wie reagieren Bundesländer mit besonders hohen Inzidenzen an den Schulen
Einzelne Bundesländer wollen die Weihnachtsferien vorziehen, um das Infektionsgeschehen an den Schulen einzudämmen, so etwa Brandenburg. „Wenn die Bundesländer die Weihnachtsferien vorziehen wollen, dann müsste es aber gleichzeitig auch mehr Kontaktbeschränkungen in der Gesamtgesellschaft geben, also Lockdowns oder TeilLockdowns“, forderte Lehrerpräsident Heinz-Peter Meidinger. „Denn so eine Schulschließung light macht ja nur Sinn, wenn das Infektionsgeschehen insgesamt eingedämmt wird, nicht nur in den Schulen.“
Die Politik habe noch nicht alle Optionen ausgereizt, um Schulschließungen zu vermeiden. „Ich verstehe nicht, warum es in einigen Bundesländern immer noch keine Maskenpflicht in den Unterrichtsräumen gibt. NRW ist da ein Negativbeispiel“, sagte Meidinger.
Corona-Schutzimpfung wird für Soldaten duldungspflichtig:
Soldatinnen und Soldaten müssen eine Corona-Schutzimpfung dulden. Das Verteidigungsministerium hat diese Impfung für die mehr als 180 000 Männer und Frauen in der Bundeswehr duldungspflichtig gemacht. Die geschäftsführende Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) habe dies beschlossen und angewiesen, wie ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch erklärte. Zuvor hatte ein Schlichtergremium – eine Runde aus je drei Vertretern des Verteidigungsministeriums und der Beteiligungsgremien – in einem langen Streit eine Vorentscheidung getroffen und empfohlen, den Schutz in die Liste der duldungspflichtigen Impfungen aufzunehmen.