Das ist über die Virusvariante bekannt
Folgen für den weiteren Verlauf in Deutschland derzeit nicht abzusehen – So wirken Mutationen
Berlin – Die Corona-Lage ist in Deutschland und vielen anderen Ländern ohnehin kritisch. Nun taucht in Südafrika eine neue Variante des Sars-CoV-2Erregers auf, die Experten beunruhigt.
Was ist bislang über B.1.1.529 bekannt ?
Die zuerst in Südafrika entdeckte Variante B.1.1.529 hat Mutationen an mehreren entscheidenden Stellen des Virus. Sie betreffen zum einen das Spike-Protein, über das die Viren an menschliche Zellen andocken. Gegen das Spike-Protein bildet der Körper bei einer Ansteckung mit dem Virus Antikörper. Auch viele der Impfstoffe regen das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein an. Darüber hinaus hat B.1.1.529 Mutationen in der Nähe der sogenannten Furin Cleavage Site, einer Region, die eine Rolle bei der Aufnahme des Virus in menschliche Zellen spielt. Zwischenformen zwischen der neuen Variante und den von Anfang 2020 bekannten Varianten seien bisher nicht beobachtet worden. „Die Variante kam also unerwartet und scheint sich jetzt im Süden Afrikas rasch auszubreiten“, sagt Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel (Schweiz).
Wie groß ist die Besorgnis bei Experten ?
„Das Ding ist bis an die Zähne bewaffnet“, sagt Friedemann Weber, Leiter des Instituts für Virologie an der Justus-LiebigUniversität Gießen. Das Virus bringe einen „Riesen-Strauß Mutationen mit sich“, allein mehr als 30 seien im Spike-Protein. Allerdings sei es zu früh, um Aussagen über den weiteren Verlauf zu machen, betont Weber. Auch der Berliner Virologe Christian Drosten sieht viele offene Fragen. So sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die Ausbreitung ist. „Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise“, teilte Drosten mit. Die Variante verdiene auf jeden Fall besondere Aufmerksamkeit, sind sich Experten einig. Aufgrund der festgestellten Mutationen sei es vorstellbar, dass die Variante sowohl sehr übertragbar sei, als auch Teilen der Immunantwort entkomme, sagt Neher. „Wir sind tatsächlich in sehr großer Sorge“, sagte RKI-Chef Wieler am Freitag. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte die Variante nach Beratungen mit Experten am Freitagabend als „besorgniserregend“ein.
Besteht Gefahr, dass Impfungen nicht mehr wirken ?
„Da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind, gehe ich davon aus, dass auch gegen diese Variante Impfschutz besteht“, sagt Nean her. „Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass es vermehrt zu Durchbruchsinfektionen kommt, sodass eine dritte Dosis umso wichtiger wird.“Auch Immunologe Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, geht nicht davon aus, dass die Impfung sich als nutzlos erweist. „Es kann sein, dass die Schutzwirkung abnimmt, aber wir sind nicht schutzlos.“Laut Virologe Weber könnten vor allem die Antikörper-Therapien durch die neue Variante beeinträchtigt werden. Bei dieser Behandlung bekommen Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf möglichst rasch nach der Infektion einen Antikörper-Cocktail verabreicht. Allerdings zielen die Antikörper nur gegen einige Merkmale des Spike-Proteins auf der Virusoberfläche.
Was ist Experten zufolge jetzt zu tun ?
Ziel müsse es sein, den Eintrag dieser Variante so weit wie möglich zu vermeiden, sagte der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin. Spahn forderte alle Menschen, die in den vergangenen Tagen aus Südafrika und der Region nach Deutschland gekommen sind, dazu auf, sich mit einem PCR-Test sicherheitshalber auf das Virus testen zu lassen. Zusätzlich zu den Reisebeschränkungen müsse die Erforschung der Virusvariante nun vorangetrieben werden, sagt DGfI-Generalsekretär Watzl. In zwei bis drei Wochen könne man mit ersten Ergebnissen rechnen. Erst später werde sich über größere Studien in der Bevölkerung herausstellen, ob die Variante ansteckender sei als andere und ob sie den Krankheitsverlauf beeinflusse.