ÖVP zieht Schlussstrich unter Ära Kurz
Zahlreiche Mitglieder des Regierungsteams ausgetauscht – Karl Nehammer wird Kanzler
Wien – Mit einem großen personellen Neustart will die konservative ÖVP in Österreich die Ära nach dem Rückzug von Ex-Kanzler Sebastian Kurz einleiten. Der bisherige Innenminister Karl Nehammer wurde vom Parteivorstand einstimmig zum neuen Chef der Konservativen und zum neuen Kanzler designiert. Der 49Jährige folgt auf Alexander Schallenberg, der nach knapp zwei Monaten im Amt seinen Posten zur Verfügung gestellt hatte. Auslöser der Personalrochade war der Rückzug von Ex-Kanzler Sebastian Kurz von allen Parteiämtern und der Politik generell.
■ Neue Besetzungen
Die ÖVP tauscht zugleich mehrere Mitglieder ihres Regierungsteams aus. Nachfolger von Finanzminister Gernot Blümel wird der bisherige Staatssekretär im Umweltministerium, Magnus Brunner. Für den aus Deutschland stammenden Bildungsminister Heinz Faßmann kommt der Universitätsrektor Martin Polaschek. Schallenberg wechselt zurück auf den Posten des Außenministers. Neuer Innenminister wird der ÖVP-Politiker Gerhard Karner aus Niederösterreich.
Formalien
Bundespräsident Alexander
Van der Bellen muss Nehammer formell noch als Kanzler vereidigen. Seine Rolle als Parteichef muss noch von einem Parteitag bestätigt werden.
Kein 2. Sebastian Kurz
Die Umwälzungen in der ÖVP verdüstern nach Ansicht von Politik-Berater Thomas Hofer die Aussichten der Partei auf künftige große Wahlsiege. „Die ÖVP hat keinen zweiten Sebastian Kurz im Angebot und muss nun kleinere Brötchen backen.“
Rufe nach Neuwahlen
Angesichts der Entwicklung sind in Teilen der Opposition
Rufe nach baldigen Neuwahlen laut geworden. Die aktuelle Regierung werde nicht für stabile und erfolgreiche Sachpolitik sorgen, sagte die Chefin der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger. Spätestens nach der Überwindung der Corona-Welle sei die Zeit gekommen, die Wähler zu befragen. Die immer wieder von Konflikten überschattete Koalition von ÖVP und Grünen regiert seit Anfang 2020.
Sehr große Aufgabe
Medien sehen Nehammer vor einer sehr großen Aufgabe. „Noch nie ist ein Regierungschef unter so ungünstigen Auspizien [Aussichten, Voraussetzungen,
Anm. d. Red.] angetreten wie Karl Nehammer. Noch nie war das politische Klima so vergiftet. Noch nie war die Gesellschaft so gespalten. (...) Noch selten war eine Regierung so fragil wie die von ÖVP und Grünen“, schrieben die „Salzburger Nachrichten“.
Schlussstrich
Mit der Regierungsumbildung zieht die ÖVP einen weitgehenden Schlussstrich unter die Ära von Kurz. Zwei seiner Vertrauten, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, bleiben allerdings im Amt.