Dreh dich, Kreisel, dreh dich...
Es gibt in Deutschland eine Partei, die rotiert wie ein Kinderkreisel: die FDP. In der vergangenen Woche legte sie bei der Frage der Corona-Impfpflicht eine kunstvoll angesetzte politische Pirouette hin, die in Bruchlandung und den Trümmern der Grundsätze dieser „freiheitlichen“Partei endete. Das mögen die AmpelPartner Grüne und SPD als gute Nachricht für die Kompromissfähigkeit der FDP in den kommenden vier Jahren verstehen. Es ist mit Sicherheit keine gute Nachricht für all jene, die FDP gewählt haben, weil ihnen die Freiheit des Einzelnen etwas bedeutet.
Ja was nun, Herr Lindner?
Noch am 6. September meinte Parteichef Christian Lindner im ZDF, eine Impfpflicht sei „nicht verhältnismäßig“. Das war vor der Wahl.
Nun wird er Finanzminister und findet am 2. Dezember im Handelsblatt sie sei genau das: „verhältnismäßig“nämlich. Dabei hatte Lindner im ZDF gute Argumente für sein „nicht verhältnismäßig“. Damals meinte er, die Ausrottung des Corona-Virus sei per Impfung nicht realistisch und eine einmalige Impfung immunisiere – im Gegensatz zur Masernimpfung – eben nicht für das ganze Leben.
Dem rotierenden Lindner ging vergangene Woche dann auch noch Marco Buschmann, der designierte FDP-Justizminister, mit einer dreisten Spitzfindigkeit zur Hand. Natürlich werde es keinen Impfzwang geben – sondern nur eine Impfpflicht.
Was der Unterschied zwischen einer mit Geldstrafe oder gar Erzwingungshaft bewehrten Pflicht und einem Zwang ist, erläuterte der Liberale nicht. Dafür bekam er von Wählern Feuer.
Auf Twitter klang das zum Beispiel so: „Dieses aalglatte, wortklauberische Zurechtbiegen ist in hohem Maße unaufrichtig, wirkt zynisch und schadet der politischen Kultur enorm.“Da wäre dann alles abschließend gesagt.
Allerdings sind da jenseits dieser FDP-Haltungsschäden enorm viele Fragen, vor denen sich die Partei drückt, zu denen keine Ideen zu vernehmen sind. Genau die aber muss eine Partei liefern, die angeblich „Mehr Fortschritt wagen“will und im Untertitel des Koalitionsvertrages die „Freiheit“bemüht. Wie lange soll die Impfpflicht dauern? Ein Jahr, zehn Jahre, für immer? Für wie viele Auffrischungen soll sie gelten? Eine, mehrere, regelmäßige, lebenslange? Wie will der Staat die Impfpflicht durchsetzen? Wie kontrollieren? Welche Strafen soll es geben? Will man die Leute mit der Polizei zur Impfung zerren? Droht Verweigerern Erzwingungshaft? Die FDP drückt sich vor Klartext.
Die FDP drückt sich zudem vor einer viel weitergehendenden Erkenntnis: Das Virus werden wir nicht mehr los. Auch eine Impfrate von 100 Prozent – die nicht erreichbar ist – wird daran nichts ändern. Eine nie endende Kombination von Zwangsimpfungen und massiven Einschränkungen des täglichen Lebens sowie der Freiheit der Menschen ist jedoch weder lebenswert noch auf die Dauer durchsetzbar. Das ist eine simple Erkenntnis, die nach zwei Jahren Pandemie eigentlich niemandem entgangen sein dürfte.
Heulen mit den Wölfen
Die FDP wird gerade an dieser Stelle der von vielen ihrer Wähler in sie gesetzten Hoffnung nicht gerecht, die da lautete: Wir brauchen eine Kraft, die eine freiheitliche Grundeinstellung mit pragmatischer Politik verbinden. Nun heult sie mit repressiven Wölfen, und das Wort „Freiheit“ist ihr offenkundig peinlich.
Damit stimmen „Liberale“, mindestens als eine Art Oberstimme, genau in den Chor ein, der heute Freiheit als grundlegendes Motiv politischen Handelns, als Conditio sine qua non, verächtlich macht. Das mag modern sein und den Zeitgeist bedienen. Liberal ist es nicht.
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