Nordwest-Zeitung

Für Matti zählt jeder Schritt

Matti (3) kam als frühes Frühchen auf die Welt – Laufen lernen als großes Ziel

- Von Friederike Liebscher

Oldenburg/Loy – Wenn Matti die Kinder in seinem Dorf den Hang hinunterla­ufen sieht, sagt er zu seiner Mutter: „Das will ich auch“. Sein Weg dorthin ist allerdings schwer. Der Dreijährig­e kam im Mai 2018 im Oldenburge­r Klinikum als Frühchen zur Welt, in der 24. Schwangers­chaftswoch­e. „Ab der 27. Woche haben die Babys gute Chancen. Alles darunter ist eine Grauzone“, erzählt seine Mutter Vanessa Menke. „Die Ärzte haben mir vor dem Kaiserschn­itt gesagt, wenn er atmend auf die Welt kommt und seinen Willen zeigt, ergreifen sie Maßnahmen. Sonst nicht.“Seinen Willen hat Matti dann deutlich gezeigt. „Er kam quietschen­d auf die Welt. Er hat sich entschiede­n“, erinnert sich die 31-Jährige.

Seitdem hat er viel durchgemac­ht. „Zu Beginn zählte jede Stunde, jeder Tag“, sagt Vanessa Menke. Schon in den ersten Wochen musste er am Darm operiert werden, neun weitere Eingriffe folgten. „Seine Bauchdecke war wochenlang offen. Er war intubiert. Es ist schwer, das als Mutter zu sehen“, erinnert sie sich. „Ich hatte aber trotzdem nie Angst, dass Matti stirbt.“Noch bis Oktober ist er im Krankenhau­s, seine Mutter immer an seiner Seite. Vater Dennis Menke kam so oft es ging zu Besuch.

Schlimme Nachricht

Entlassen wurde Matti als gesundes Kind. „Natürlich wussten wir, dass er irgendwann vielleicht Defizite haben könnte. Er hat sich dann gut gemacht und die wichtigen Meilenstei­ne in der Entwicklun­g nur etwas später erreicht als andere Kinder“, erklärt Vanessa Menke. Als sie im März 2020 im Sozialpädi­atrischen Kinderzent­rum Oldenburg in einem Gespräch erfuhr, dass Matti wohl nie laufen wird, zog es ihr den Boden unter den Füßen weg. „Aufgrund einer Hirnblutun­g hatte er eine Zerebralpa­rese erlitten.

Acht Schritte

Bei ihm äußert sich das durch Spastiken in den Beinen“, erklärt sie. Wenn Matti laufen will, setzt er die Füße über Kreuz. Ihn nach der niederschm­etternden Diagnose in den Rollstuhl zu setzen, kam für seine Eltern aber nie in Frage. „Es ist mir egal, was die Ärzte meinen. Das hat nur einer zu entscheide­n, und das ist der kleine Mann hier. Das hat er schon in seinen ersten fünf Monaten gezeigt“, sagt Vater Dennis Menke bestimmt. Der Stolz auf seinen Sohn ist ihm anzumerken.

Und Matti hat seinen starken Willen vor wenigen Wochen neu bewiesen. Acht Schritte ist er frei gelaufen, erzählt Vanessa Menke. Sie war mit ihm in einer Spezialkli­nik in Hamm. „Das war ein wichtiges Erlebnis, weil Matti selbst gemerkt hat, dass er es kann.“Um ihrem Sohn zu unterstütz­en, ist die 31-Jährige zehn bis 14 Wochen im Jahr mit ihm in Reha-Zentren oder Kliniken. Zu Hause bekommt er Ergound Physiother­apie. Sonst besucht er den Kindergart­en. „Ich suche oft im Internet nach neuen Ansätzen“, erzählt Vanessa Menke. Eine Möglichkei­t hat sie in Bremen gefun

den. Dort könnte Matti an einer Studie teilnehmen. „Wir müssen diese Behandlung zum Teil selbst zahlen. Den ersten Durchlauf konnten wir über den Verein ,Kinderlach­en Oldenburg’ finanziere­n. Für den zweiten Teil hoffen wir noch auf Spenden.“Während seine Eltern überlegen, wie sie ihn am besten unterstütz­en, zieht sich Matti am Wohnzimmer­sofa hoch und setzt vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Er sieht stolz aus.

Wer Matti helfen möchte, kann Kontakt über den Verein Kinderlach­en Oldenburg e.V. suchen: info@kinderlach­enoldenbur­g.de oder Telefon 04407/9138112.

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BILD: F. Liebscher Haben zusammen schon viel erreicht: Matti und seine Mutter Vanessa Menke.
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BILD: Liebscher Bei seiner Geburt wog Matti nur 670 Gramm. Seine Windeln waren kleiner als ein Kugelschre­iber.

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