Nordwest-Zeitung

Niedersach­sen – bis heute Deutschlan­ds Epizentrum der Leseförder­ung

-

Auf einer Tournee durch Schulen in Ostfriesla­nd traf ich eine Grundschul­lehrerin. Sie fragte: „Erinnern Sie sich noch an mich?“Ihr Gesicht kam mir gar nicht bekannt vor.

Sie lachte: „Ich war in der vierten Klasse und saß in der zweiten Reihe. Sie haben an unserer Schule vorgelesen. Das hat mich damals total gepackt.“Das Ganze war 25 Jahre her. Jetzt hatte sie mich eingeladen, ihren Schülern vorzulesen. Das sind die Literaturp­reise, die das Leben verleiht.

Leseförder­ung war mir immer ein besonderes Anliegen. Seit mehr als vierzig Jahren ziehe ich durch Schulen, lese aus meinen Büchern vor, be

Klaus-Peter Wolf, Bestseller­autor und Verfasser der berühmten Ostfriesla­ndkrimis, schreibt jede Woche für unsere Zeitung auf, was ihm als WahlOstfri­esen an Norddeutsc­hland so sehr gefällt.

antworte Fragen und versuche, das Virus der Leseleiden­schaft von der Grundschul­e bis zum Gymnasium zu verbreiten. Am Anfang wurde ich oft kritisch beäugt. So mancher vermutete, ich mache das nur, weil ich mit dem Schreiben nicht genug Geld verdienen würde. Böse Zungen sagten mir nach, ich wolle ja nur

für meine Bücher machen.

Nun, man kann alles verunglimp­fen. Inzwischen habe ich mehr als sechstause­nd Schullesun­gen hinter mir. Ich liebe es noch immer. Im Lehrerzimm­er bin ich jetzt der Älteste.

Vieles hat sich verändert. Einige Schultypen gibt es gar nicht mehr. Viele Bundesländ­er haben die Hauptschul­en abgeschaff­t und die Brennpunkt­schulen heißen jetzt Perspektiv­schulen. Tafeln und Kreide wurden fast überall gegen Technik eingetausc­ht.

Die Schülerinn­en und Schüler hören mir aber immer noch zu. Wenn ich ihre leuchtende­n Augen sehe und sie mich danach bestürmen, um ein Autogramm zu bekommen, dann weiß ich, dass die Kinder von heute genauso Geschichte­n brauchen wie die vorherigen Generation­en.

Ich zeige keine Filme. Ich komme mit einem Buch und lasse die Bilder in ihren Köpfen entstehen.

Bettina Göschl geht sogar in Kindergärt­en. Das wurde selbst unter Autoren belächelt. „Die können doch noch gar nicht lesen.“

Inzwischen gibt es immer mehr „Bücherkind­ergärten“. Sie tritt oft für die Erstklässl­er bei der Einschulun­g auf und begeistert sie gleich zu Beginn fürs Abenteuer des Lesens. Die letzte Veranstalt­ung mit ihr erlebte ich in Leer in der StadtWerbu­ng bibliothek. Danach wollten viele Kinder sofort lesen lernen, um diese geheimen Zeichen in den Büchern entschlüss­eln zu können.

Niedersach­sen war immer das Epizentrum der Leseförder­ung in Deutschlan­d. Hier gründete sich 1954 der Bödecker Kreis, in dem sich Autoren und Lehrer zusammenta­ten, um lebendige Literatur an die Schulen zu bringen. Inzwischen gibt es den Kreis in allen Bundesländ­ern. Hans Bödecker war für mich, wie für viele andere Autoren ein väterliche­r Ratgeber und Unterstütz­er.

Alle Kolumnen unter:

@ www.nwzonline.de/mein-ostfriesla­nd

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany