Belastende Reise in die Vergangenheit
Krimi aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet dreht sich um Restitutionsansprüche
Cottbus – Seine Kollegin Olga Lenski ist weg und sein neuer Ermittlerpartner tritt seinen Dienst erst im nächsten Jahr an. Folgerichtig muss der polnische Kommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) den neuen Fall aus der Reihe „Polizeiruf 110“allein lösen. Ganz auf sich gestellt ist er aber nicht, denn immerhin springt ihm mit Alexandra Luschke (Gisa Flake) eine frühere Kollegin zur Seite, die er im Zuge der Ermittlungen an seiner alten Wirkungsstätte Cottbus wiedertrifft.
Opfer wie Müll entsorgt
Der von Regisseur Dror Zahavi einfühlsam inszenierte Krimi „Polizeiruf 110: Hermann“(5. Dezember, Das Erste), in dem es um den Restitutionsanspruch eines Holocaust-Überlebenden geht, beginnt mit einem wunderschönen Kameraflug über brandenburgische Felder, Wiesen und eine Landstraße, auf der ein Motorrad unterwegs ist. Es handelt sich um die Maschine von Kommissar Raczek, der nach Cottbus fährt, wo auf einer Bauschuttdeponie die Leiche einer aus Frankfurt/ Oder stammenden Frau gefunden wurde.
Die Ingenieurin hatte für den Bauunternehmer Karl Winkler (Sven-Eric Bechtolf) gearbeitet und ist von ihrem Mörder wie Müll entsorgt worden. Winkler saniert gerade einen ganzen Häuserblock, zu dem auch das Anwesen von Elisabeth Behrend (Monika Lennartz) und ihrem Sohn gehört, das der Unternehmer gern erwerben möchte. Das Problem: Die Behrends wollen
nicht verkaufen und die Besitzansprüche sind unklar, denn es gibt einen HolocaustÜberlebenden, dessen Familie das Mietshaus früher gehört hat und der jetzt Anspruch darauf erhebt.
Zvi Spielmann, beeindruckend gespielt von dem israelischen
Schauspieler Dov Glickman, ist mit seiner Tochter Maja (Orit Nahmias) aus Israel angereist, um die Angelegenheit vor Gericht zu klären. Der Haken bei der Sache: Wichtige Dokumente, die möglicherweise in Besitz der ermordeten Bauingenieurin
waren, sind spurlos verschwunden. Musste die Frau sterben, weil sie ihr eigenes Süppchen kochte und eine der beteiligten Parteien möglicherweise erpresst hat?
Eigentliche Geschichte
Während Adam Raczek und Alexandra Luschke mit zäher Ermittlungsarbeit nur schrittchenweise vorankommen, wird der Trip nach Cottbus für Zvi Spielmann zu einer belastenden Reise in seine tragische Vergangenheit: Seine Familie hatte sich in der Nazizeit in einer verborgenen Kammer im eigenen Haus versteckt und war von der Gestapo entdeckt worden. Nachdem Zvis Angehörige im Konzentrationslager von den Nazis ermordet worden waren, baute er
sich nach dem Krieg als einziger Überlebender der Familie in Israel eine neue Existenz auf. In Cottbus wird der alte Mann nun wieder mit all dem konfrontiert, was ihn sein Leben lang schwer bedrückt hat – und das ist die eigentliche Geschichte in diesem starken Sonntagskrimi, die den aktuellen Mordfall in den Hintergrund drängt.
So geht es weiter:
Bei seinem nächsten Einsatz im deutsch-polnischen Grenzgebiet wird Adam Raczek seinen neuen Ermittlerpartner Vincent Ross (André Kaczmarczyk) kennenlernen. Der erste „Polizeiruf“mit den beiden ist bereits abgedreht und soll 2022 zu sehen sein.