Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
„Wie im falschen Film“
Julian Draxler im Gespräch über die Fußball-Nationalmannschaft, seiner neuen Liebe Paris und das : in Barcelona
schnell ab, dass es einem vorkommt, als würde die Zeit wie im Flug vergehen. Im Moment bin ich in einer guten Phase und überzeugt, dass es so weiter geht.
In Wolfsburg ging es für Sie nicht weiter…
Das ist für mich jetzt alles kein Thema mehr, für mich zählt einzig und allein die aktuelle Situation und das, was vor mir liegt. In diesen Tagen genieße ich es sehr, wieder hier bei der Nationalmannschaft zu sein.
Verändert Ihre gegenwärtig gute Phase in Paris auch Ihre Wahrnehmung bei der Nationalmannschaft?
Jeder muss im Verein gute Leistungen zeigen, um hier anerkannt zu werden. Joachim Löw hat mir aber immer schon sehr viel Vertrauen entgegengebracht, seitdem ich dabei bin. Das habe ich immer gespürt und es ist nicht so, dass es durch den Wechsel jetzt gesteigert wäre.
Der Bundestrainer nimmt Sie in die Pflicht als einen jener Spielergeneration, die in Zukunft mit Leistung voran gehen müssen in der Nationalmannschaft. Zu viel Druck?
Ich bin jetzt seit 2012 im
Kreis der Nationalmannschaft dabei,
2016 war mein erste richtiges Turnier mit mehreren Einsätzen.
Ich kann nicht von heute auf morgen ein Führungsspieler bei der Nationalmannschaft sein, dazu braucht es sehr viele gute Leistungen und auch Reife. Aber klar ist, dass ich selbst den Anspruch haben muss, von meinen Fähigkeiten her gut in diese Mannschaft zu passen un im Spiel Entscheidungen herbeizuführen. Diesem Anspruch will ich gerecht werden. In jeder Trainingseinheit, in jedem Spiel.
Inwiefern ähneln sich das
Spiel der Nationalmannschaft und das in Paris?
Das war einer der Hauptgründe, warum ich unbedingt nach Paris wollte. Ich hatte das Gefühl, dass ich von meinen fußballerischen Fähigkeiten her gut in diese Mannschaft hinein passe, weil sie – ähnlich wie die Nationalelf technisch anspruchsvollen und unheimlich viel auf Ballbesitz spielt. Ein anderer wichtiger Grund, nach Paris zu gehen, waren Spieler wie Angel di Maria oder Edinson Cavani, von denen ich mir viel abschauen kann. Ich bin mit meinen 23 Jahren ja noch längst nicht am Ende der Entwicklung. Die Meisterschaft ist noch drin, in der Champions League sind Sie nach einem 4:0 im Hinspiel, zu dem Sie einen Treffer beisteuerten, und einem 1:6 im Rückspiel gegen Barcelona ausgeschieden. Wie waren diese Abende?
Das war Himmel und Hölle in kürzester Zeit. Im Hinspiel habe ich das vielleicht beste Spiel meiner Karriere gemacht. Und dann fahren wir mit viel Selbstvertrauen nach Barcelona und kriegen da sechs Stück, drei davon in den letzten Minuten. Ich fühlte mich wie im falschen Film. In der Nacht bekam ich kaum ein Auge zu, weil man sich immer fragt: Was ist hier eigentlich gerade passiert? Jeder, der weiß, wie gern ich in diesem Wettbewerb spiele, ahnt wie bitter das war. Das wäre ein Riesending gewesen für den Verein, für die Mannschaft, die Stadt und für mich. Deswegen tut das immer noch weh. Aber der Fußball ist schnelllebig. Das ist vielleicht gut so. Im Moment konzentriere ich mich voll und ganz auf unser Spiel am Sonntag in Aserbaidschan.
Inwieweit spielten vor dem Wechsel Ihre Erlebnisse vom Länderspiel in Paris im November 2015 eine Rolle, das von einem Terrorakt überschattet wurde?
Ich habe alle Facetten des Wechsels abgewogen, auch diese. Das gesamte Drumherum ist wichtig, um sich wohlzufühlen. Paris war mehrfach von Terror betroffen, aber ich bin seit drei Monaten da und habe nicht das Gefühl, dass jederzeit etwas passieren könnte. Leider Gottes gibt es nirgendwo auf der Welt hundertprozentige Sicherheit, das ist vielleicht auch der Preis unserer Freiheit. Daher sollte man sich von solchen Geschehnissen auch nicht in seiner Lebensweise einschüchtern lassen und nicht davor weglaufen. Kurzum: Ich fühle mich in Paris sehr, sehr wohl.
Weil es nicht so eng ist wie Wolfsburg?
Die Weltstadt Paris ist einmalig. Die kann man mit kaum einer anderen Stadt vergleichen, egal welcher. Aber ich bin in Gelsenkirchen und Umgebung aufgewachsen, ich bin alles andere als ein Großstadtkind. Ich brauche keine Weltstadt, um mich wohlzufühlen und vernünftig Fußball zu spielen.