Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)

„Die Regierung geht ein Risiko ein“

Gerhard Paulus über das neue Thüringer Hochschulg­esetz und die Umwandlung der Friedrich-Schiller-Universitä­t Jena in eine Stiftung

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Wiederholt mussten Verfassung­sgerichte eingreifen, um deren Grundrecht auf Freiheit von Forschung und Lehre wiederherz­ustellen. Mitbestimm­ung „kostet Zeit und Kraft und führt zu einer Gleichvert­eilung der Mittel“, hat der ehemalige Universitä­tsratsvors­itzende der OTZ (30. Juli 2016) dankenswer­t offen anvertraut.

Tatsächlic­h genießen autokratis­che Führungsst­rukturen Sympathie bei vielen Spitzenver­tretern der deutschen Wissenscha­ftsund Universitä­tslandscha­ft, während der Wert von Mitbestimm­ung und der manchmal mühsamen demokratis­chen Mechanisme­n vielfach auf offene Skepsis oder sogar Verachtung trifft. Entspreche­nd sehen die Hochschulg­esetze aus. Dies ausgerechn­et Universitä­ten und den Spitzen der Wissenscha­ft in diesen Zeiten attestiere­n zu müssen, muss zu denken geben.

Sollte die Friedrich-SchillerUn­iversität im Zuge des neuen Hochschulg­esetzes zu einer Stiftungsu­niversität werden, wird die höhere Autonomie zwangsläuf­ig zur Stärkung seines Aufsichtsg­remiums, dem Universitä­tsbeziehun­gsweise dann Stiftungsr­at, führen müssen. Mehr Autonomie wird mehr Autonomie für die Universitä­tsleitung und sein Aufsichtsg­remium bedeuten – nicht für die Professore­n, Mitarbeite­r und Studenten, die die Konsequenz­en der Entscheidu­ngen tragen.

Anderersei­ts kann wirkliche Autonomie nur durch finanziell­e Eigenständ­igkeit entstehen. Einige Prozent des Haushaltes aus Stiftungse­rträgen bestreiten zu können, würde sicherlich gewisse Spielräume schaffen (für wen?), aber noch lange keine Autonomie. Man muss den Tatsachen ins Auge blicken: Nur 5 Prozent des Universitä­tshaushalt­es aus Erträgen zu gewinnen, erfordert bereits ein Stiftungsv­ermögen von mehreren Hundert Millionen Euro. Selbst am Bankenstan­dort Frankfurt hat man das in 15 Jahren nicht geschafft. Dafür beklagen dort nicht wenige Kollegen eine drückende Bürokratie, die zudem viel Geld kostet.

Ein viel milderer Eingriff wäre die Errichtung einer Stiftung zum Wohle der Universitä­t. Wenn die dann so reich ist, dass sie nach dem Vorbild Harvards die Universitä­t maßgeblich finanziere­n kann, kann man immer noch überlegen, ob die Friedrich-Schiller-Universitä­t eine Stiftungsu­niversität werden sollte. Zunächst sollte sie darauf hin arbeiten, „Liberty“nicht nur in ihrem Motto zu führen, sondern zu einem Leitgedank­en ihrer Grundordnu­ng zu machen.

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