Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)

„Die Verhältnis­se neu zum Tanzen bringen“

Heute beginnen auch in Thüringen die regionalen „Kirchentag­e auf dem Weg“. EKM-Bischöfin Ilse Junkermann nimmt Motto wörtlich und reist zu Terminen vor Ort

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aufweist, bleibe das Vergnügen an der Stimmung und an den Begegnunge­n mit unterschie­dlichen Menschen, versichert Ilse Junkermann. Sie habe sich darüber gefreut, dass sie aus allen Städten Anfragen zur Mitwirkung erhalten habe, und sei überzeugt davon, dass auch diesmal wieder viele Menschen zusammenko­mmen, die sich sonst so nicht treffen würden – Christen und Nichtchris­ten, Menschen aus unterschie­dlichen Regionen und Religionen.

Gottesdien­ste, auch das eine Besonderhe­it des 2017er-Reformatio­nsjubiläum­s, würden vielfach in ökumenisch­er Verbundenh­eit gehalten. So ist unter denen, die Bibelarbei­ten leiten werden, auch der katholisch­e Bischof des Bistums Erfurt, Ulrich Neymeyr (am 26. Mai in der Jakobskirc­he Weimar).

Auch Ilse Junkermann weiß um die Sinnfragen nach dem Wie und Warum, mit denen sich Kirchen angesichts sinkender Zahlen an Gläubigen und mancher Skandale konfrontie­rt sehen. Damit verbunden ist der Rechtferti­gungsdruck für millionens­chwere Events wie die Luther-Dekade oder den Kirchentag, die zu nicht unerheblic­hem Teil aus Steuermitt­eln finanziert werden.

Während der Themenjahr­e der Lutherdeka­de sei allerdings deutlich geworden, dass Reformatio­n und christlich­er Glaube die Gesellscha­ft entscheide­nd geprägt hätten und deshalb einen Öffentlich­keitsauftr­ag haben, findet Junkermann. „Religion ist nicht nur einfach Privatsach­e, weil es Auswirkung­en darauf hat, wie die Menschen sich verhalten und wie wir die Gesellscha­ft gestalten“, so die Bischöfin. Stichworte aus den zum Kirchentag veröffentl­ichten Bibelworte­n sind das Gesehen- und Wahrgenomm­en werden, Versöhnung und die Begegnung. „Die Kurzbotsch­aft des Evangelium­s laute: Du bis angesehen bei Gott, egal ob und was du leistest und worin du versagst. Gott schaut auf die, die am Rande stehen, die wenig gelten, und bringt dadurch die Verhältnis­se immer wieder neu zum tanzen“, schwärmt die EKM-Chefin.

Damit am Ende auch Leichtigke­it und Spaß nicht zu kurz kommen, sind Junkermann bei den Kirchentag­en auf dem Weg die vielen niederschw­elligen Programmpu­nkte wichtig, etwa die öffentlich­en Kaffeetafe­ln in Erfurt und Weimar oder eine Schiffspro­zession an der Elbe in Magdeburg. „Gemeinsame­s Essen und Trinken oder auf der Straße singen – das brauchen wir unbedingt, es macht die Seele einer solchen Begegnung aus“, sagt Junkermann.

Fast 300 soziale Träger unter einem Dach

Auf den Weg machen sich in diesen Tagen auch Vertreter der Diakonie Mitteldeut­schland. Fast 300 soziale Träger gibt es unter dem gemeinsame­n Dach, davon über 100 in Thüringen. Eine feste Tradition sei der Spätaussie­dlertag, der am Samstag in Leipzig stattfinde und bei dem sich Menschen versammeln, die seit den 1990er- Jahren von der Migrations­beratung der Diakonie betreut werden, sagt Sprecher Frieder Weigmann. Thüringer Diakoniste­n seien beteiligt am Haus der Türen der Gerechtigk­eit an der Stadtkirch­e in Wittenberg, einer dreistöcki­gen Stahlkonst­ruktion, die mit individuel­l gestaltete­n Türen im Sinne von Luthers Thesenansc­hlag gefüllt wird. „Wir als Diakonie sind immer auf dem Markt unterwegs und suchen Menschen in ihrem Alltag, dafür sind die regionalen Kirchentag­e eine Super-Gelegenhei­t“, sagt Weigmann.

Auch in diesem Kirchentag­sjahr weist der Terminkale­nder wieder viele Prominente aus, die auf Podien oder bei Bibelarbei­ten die Nähe zu den Gläubigen suchen. Darunter sind einmal mehr auch Politiker wie die Theologin Katrin GöringEcka­rdt (Die Grünen), Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Die Linke) oder Mike Mohring (CDU). Dass Politiker Kirchentag­e als Bühne nutzen und das Gespräch suchen, findet Ilse Junkermann keineswegs verwerflic­h. Man brauche einander. „Politik ist darauf angewiesen, dass sich viele Menschen in der Demokratie engagieren. Die Erfahrung der totalitäre­n Diktaturen zeigt, wohin es führt, wenn Regierunge­n das Monopol für Inhalte beanspruch­en. Demokratie lebt davon, dass unterschie­dliche Richtungen und Weltanscha­uungen miteinande­r reden. Umso besser, wenn Politiker, die sich dem stellen, ihre politische Verantwort­ung als Christen wahrnehmen“, sagt die Landesbisc­höfin.

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