Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
Größtes Ziel: Zusammenhalt
2014 saß die Kanzlerin bei ihrer Regierungserklärung noch, sie hatte sich zuvor beim Langlauf verletzt. Diesmal ging Merkel rasch zum Rednerpult: Reden zu halten gehört nicht zu ihren großen Stärken, ihre Rhetorik ist oft ausbaufähig. Doch diesmal hat sie sich einiges vorgenommen. Die 171 Tage Regierungsbildung – so lange hat es in Deutschland noch nie gedauert –, „schon diese Umstände deuten darauf hin, dass sich im Land etwas verändert hat“, sagte die Kanzlerin. Obwohl Deutschland wirtschaftlich gut dastehe, „ist der Ton der Auseinandersetzung rauer geworden“. Wie zum Beweis mangelte es an hämischen Zwischenrufen der AfD während ihrer Rede nicht. Die Gesellschaft sei so sehr polarisiert, stellte Merkel fest, dass ein so banaler Satz wie „Wir schaffen das“, den sie zuvor schon häufig gesagt habe, im Herbst 2015 zum Kristallisationspunkt der Flüchtlingsdebatte geworden sei. Diese Verunsicherung hätten auch die Koalitionsparteien bei der Bundestagswahl im September letzten Jahres zu spüren bekommen. Klar sei, dass die Vorzeichen der Flüchtlingskrise, der Bürgerkrieg in Syrien, völlig unterschätzt worden sei. „Zur ganzen Wahrheit gehört, dass wir, auch ich, zu lange zu halbherzig reagiert haben.“Die Hoffnung, dass der Krieg in Syrien Europa und Deutschland nicht berühre, sei „falsch und naiv“gewesen. sie vorzeitig aus dem Amt scheiden könnte: „Inzwischen kennen Sie mich: Ich werde jeden Tag von morgens bis abends arbeiten“. Sie wolle alles dafür tun, dass am Ende dieser Legislaturperiode die Menschen sagen: „Die in Berlin haben aus dem Wahlergebnis von September 2017 etwas gelernt. Die haben wirklich etwas verstanden und viel Konkretes und Gutes für uns erreicht.“Sie hoffe, dass am Ende dieser Legislaturperiode die Bilanz gezogen werde: „Unsere Gesellschaft ist menschlicher geworden, Spaltungen und Polarisierung konnten verringert, vielleicht sogar überwunden werden, und Zusammenhalt ist neu gewachsen.“