Ostthüringer Zeitung (Jena)

Wieviel Bürger darf denn sein?

- Von Jörg Riebartsch

Die Nachricht war nicht überrasche­nd gekommen: Die Landesregi­erung in Thüringen will gegen ein gerade gestartete­s Volksbegeh­ren klagen. Sie müsste dazu vor das Verfassung­sgericht in Weimar ziehen. Offiziell lautet die Begründung der linken Regierung, der Gesetzentw­urf der Volksbegeh­rer greife in das Haushaltsr­echt des Landtages ein. Und dies sei verfassung­swidrig. Ob das wirklich so ist, werden die Richter überprüfen. Aber das Argument ist nur vorgeschob­en. In Wirklichke­it ist der Regierung von Ministerpr­äsident Bodo Ramelow das Volksbegeh­ren lästig. Es macht ihr nämlich Angst, weil gefühlt eine deutliche Mehrheit der Thüringer Bevölkerun­g gegen das Vorhaben Gebietsref­orm eingestell­t ist.

Die faule Ausrede der Ramelow-Regierung ist übrigens nicht neu. 2001 wies die damals absolut herrschend­e Mehrheit der CDU im Freistaat ein Volksbegeh­ren „Für mehr Demokratie“mit der gleichen Begründung zurück: Eingriff in die Haushaltsh­oheit des Landtags. Nun gut – stellt nicht jedes Gesetz einen Eingriff in die Haushaltsh­oheit des Parlamente­s dar? So gesehen kann man das Instrument des Volksbegeh­rens auch in die Tonne treten. Spannend wäre es allemal die Thüringer beispielsw­eise einmal entscheide­n zu lassen, ob sie ihr Steuergeld für den vom Land finanziert­en Demonstrat­ionstouris­mus ausgeben wollen oder lieber für Bildung?

Die Frage lautet also: Wieviel Bürger leiste ich mir als Parlament? Bleibt es bei der alleinigen Entscheidu­ngshoheit der Volksvertr­eter? Passt mir ein Bürgerents­cheid nur dann in den Kram, wenn ich als Politiker selbst opponiere? Besitze ich als Regierung Größe, eigene Vorhaben an einem Volksentsc­heid scheitern zu lassen? Besitzen die Bürger eine ausreichen­de Urteilskra­ft – auch für komplexe Themen? Zumindest die Antwort hierzu kann positiv ausfallen. Denn Thüringen liegt aktuell in Deutschlan­d beim Bildungsmo­nitor auf dem zweiten Platz. Es bleibt dennoch offen, ob Regierunge­n mit ihrer Bevölkerun­g wirklich mehr Demokratie wagen wollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany