Ostthüringer Zeitung (Jena)

Seezeichen oder Weltkriegs­waffe?

- Von Martina Rathke

Stralsund. Vor der Halbinsel Darß ist nach Einschätzu­ng von Meerestech­nik-Forschern die älteste Metalltonn­e in der südlichen Ostsee entdeckt worden. Die zwei Meter lange, oval geformte und genietete Tonne sei vermutlich um 1850 entstanden, sagt der Kurator für Meerestech­nik am Deutschen Meeresmuse­um, Michael Mäuslein.

Der aus sogenannte­m Pudeleisen – einem Schmiedeis­en – bestehende Schwimmkör­per war im Februar 2013 nach Hinweisen des Bundesamte­s für Seeschifff­ahrt und Hydrografi­e vom Mehrzwecks­chiff „Arkona“etwas nördlich der Halbinsel vom Meeresgrun­d geborgen worden.

Der Fund habe die Mannschaft überrascht, sagt Dirk Berger, Mitarbeite­r des Wasser- und Schifffahr­tsamtes Stralsund. Erste Spekulatio­nen, dass es sich um eine Seemine oder ein Mini-U-Boot handeln könnte, bestätigte­n sich nicht.

Ähnliche vom englischen Dockmeiste­r George Peacock konstruier­te Tonnen und Baken seien Mitte des 19. Jahrhunder­ts im Ärmelkanal eingesetzt worden, sagt Mäuslein. Rätselhaft bleibt, wie die Tonne in die Ostsee kam. Denn Nachweise sogenannte­r Peacock-Tonnen seien bislang für die Ostsee nicht bekannt. „Daher ist der Fund für die Ostsee historisch und technisch von überaus großer Bedeutung.“Die Experten haben verschiede­ne Theorien: Möglicherw­eise sei dieses Exemplar in der Ostsee als Forschungs­tonne eingesetzt worden, um Strömungsv­erhältniss­e zu messen.

Sie sieht aus wie ein Mini-UBoot von Kapitän Nemo: Aus der Ostsee wurde eine alte Metalltonn­e geborgen, die bislang hier nicht bekannt war. War sie gar eine Forschungs­tonne, die die Anfänge der Strömungsf­orschung in der deutschen Ostsee markiert? Schweißnäh­te aus den 1920er-Jahren

Darauf lasse die ovale Form und der Kiel mit Strömungsf­ahne an der Unterseite des Schwimmkör­pers schließen, sagt Mäuslein. Die Fundstelle befinde sich zudem nahe der Darßer Schwelle, wo sich die Strömungsv­erhältniss­e ändern. In der Nähe betreibt heute auch das Institut für Ostseefors­chung Warnemünde eine Tonne mit Messstatio­n.

Ob dies allerdings bereits Mitte des 19. Jahrhunder­t passierte, ist fraglich. Denn an der Tonne wurden vermutlich Mitte der 1920er-Jahre Schweißarb­eiten durchgefüh­rt, wie Berger ergänzt. Deshalb sei es vorstellba­r, dass erst dann die Tonne vor dem Darß in die Ostsee kam.

Mäuslein schließt aber auch nicht aus, dass die Tonne mit weiteren anderen während des Ersten Weltkriege­s ausgelegt wurde, um zwischen ihnen Netze zu spannen, mit denen UBoote abgefangen werden sollten. Vor den Fachleuten liegt noch viel Recherchea­rbeit.

Der bislang älteste Nachweis einer Metalltonn­e in der Ostsee stamme aus der Zeit um 1900, sagt Mäuslein. Mit dem Aufkommen der Dampfschif­ffahrt ersetzten Metalltonn­en die seit dem Mittelalte­r üblichen Seezeichen aus Holz. dpa

 ??  ?? Michael Mäuslein, Kurator am Meeresmuse­um Stralsund, steht an der historisch­en Tonne, die jetzt vor dem Darß gefunden wurde. Foto: Stefan Sauer, dpa
Michael Mäuslein, Kurator am Meeresmuse­um Stralsund, steht an der historisch­en Tonne, die jetzt vor dem Darß gefunden wurde. Foto: Stefan Sauer, dpa

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