Ostthüringer Zeitung (Jena)

Freier Zugang zum Himmel

- Von Stephan Riechel, Kath. Pfarrei St. Johannes Baptist Jena

Aus einer Reihe von Steinen, die ins Wasser ragen, und einer ankommende­n Welle bildet sich am Ufer des Meeres ein Kreuz: ein Foto aus dem letzten Urlaub, von irgendjema­nd geschossen. Wenn man im Urlaub wach ist auf solche Begegnunge­n hin, dann kann man religiöse Erfahrunge­n im Alltag machen.

Mir ging es in meinem Urlaub im Juli so. Ich war in Wittenberg und Dessau und habe natürlich auch das Unesco-Welterbe „Wörlitzer Park“besucht. Dort gibt es eine evangelisc­he Kirche St. Petri. Ich wollte gleich am Anfang hier auch auf den Turm steigen, um mir von oben einen Überblick zu verschaffe­n. Doch dann sagte mir die Wächterin des Turmes, eine ältere Dame wäre gerade nach oben gestiegen und hätte einen Kreislaufk­ollaps bekommen. Nun müsste erst die medizinisc­he Hilfe durch, solange wäre der Turm gesperrt.

Der Himmel war mir verschloss­en, und der Kircheneng­el ließ mich nicht rein. Eigentlich verschloss­en war er auch nicht durch sie, sie hatte nur den Weg freigehalt­en für die, die dort nun nach oben mussten, um zu helfen: Versperrt war er durch die „Schuld“eines Menschen, der sich vielleicht zu viel zugemutet hatte. Ich habe mich mit einer Gondel eine Runde auf dem Wasser durch den Park rudern lassen. Dann bin ich zum Turm zurück und habe meine zweite Chance bekommen: Ich durfte nun dem Himmel ein Stück näher.

Ja, der Himmel steht prinzipiel­l allen offen, aber durch unsere menschlich­e Schuld ist er uns versperrt. Die Kirche wacht darüber, dass der Zugang zum Himmel frei bleibt und bietet das Sakrament der Taufe und das Sakrament der Versöhnung an, quasi als „medizinisc­he Hilfe“.

In der vergangene­n Woche sind 25 Studenten aus ganz Deutschlan­d mit der Aktion „misiones – Glauben leben“in Jena von Haus zu Haus gegangen und haben Menschen auf ihr Leben und ihren Glauben angesproch­en: Zeit schenken, zuhören, ins Gespräch kommen. Zu zweit sind sie losgezogen, wie einst Jesus die Jünger ausgesandt hat. Oftmals war keiner zu Hause, manchmal kam durch die Gegensprec­hanlage: „Ich habe keine Zeit oder kein Interesse.“Doch kamen

Sie immer zurück mit Geschichte­n von interessan­ten Begegnunge­n. Vielleicht wird es ja für jemanden zur zweiten Chance, dem Himmel ein Stück näher zu kommen.

Misioneros sind so nicht in eigener Sache unterwegs, sondern als Werkzeuge Gottes: Mit Christus und für Christus. „Im Geist und mit der Dynamik des Urchristen­tums wollen wir die Apostelges­chichte in unserer Zeit weiterschr­eiben“, so sagen sie von sich selbst. Das können nicht nur sie, das können alle Glaubenden.

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