Kicken hinter Stacheldraht
Gräfentonna. 4:9! Das Ergebnis hört sich nach Klatsche an. Die Fußballer der Haftanstalt in Gräfentonna (Kreis Gotha) scheinen angesichts dieser Zahlen am Samstag untergegangen zu sein. Als ihr Gegner war die Traditionsmannschaft von RotWeiß Erfurt hinter den Gefängnismauern aufgelaufen. Die ExProfis hatten noch eine Rechnung aus dem Vorjahr offen, als die Begegnung unentschieden endete. So etwas sollte sich offenbar nicht wiederholen.
Das Aufeinandertreffen beider Mannschaften hat Tradition. Bereits zum elften Mal wurden die Kräfte gemessen. Für die Gefangenen ist es der Höhepunkt ihres Trainings, bietet sich dabei doch die Möglichkeit, zwei Stunden lang den Knastalltag zu vergessen und sich im Spiel mit einem anspruchsvollen Gegner zu messen. Die rotweißen Traditionalisten erleben eine interessante Abwechslung am Rande des Gefängnisalltags.
Und wer denkt, hinter Stacheldraht und Überwachungsanlagen kann nicht gekickt werden, der irrt. Einige Spieler in der Häftlingsmannschaft waren vor ihrer Haftzeit in höheren Ligen aktiv. Das ist ihrem Spiel noch immer anzusehen. Aber ein Gefängnis muss auch damit leben, dass Leute entlassen werden, das trifft hin und wieder auch gute Spieler. So muss sich die Knastmannschaft jedes Jahr neu finden und zusammenraufen. Und das ist den zumeist tätowierten Männern auch dieses Jahr gelungen. Nach dem 0:4 zum Halbzeitpfiff war Schlimmes zu befürchten, doch die schweren Jungs gaben sich nie auf. 2:5 stand es nach etwa 60 Minuten und schon keimte Hoffnung, vielleicht doch etwas zu reißen, noch eine kleine Sensation zu erleben. Aber in diesem Jahr waren auch die früheren Rot-Weiß-Spieler stark. Sie enteilten auf 2:7, erst dann konnten die Gefangenen noch zwei Mal nachlegen. Die Moral und der Wille, nicht unterzugehen, stimmten.
Zwei unglückliche Tore weniger auf Seiten der Gefangen und noch ein oder zwei Bälle mehr versenkt – Rot-Weiß hatte im Gegensatz zur Knastmannschaft einen gelernten Torhüter zwischen den Pfosten – und das Ergebnis wäre angemessener für die Partie ausgefallen.
„Es ist nur ein Spiel“, meinte Lars nach der Begegnung. Es habe Spaß gemacht. Der Gefangene war mit dem Einsatz der Mitgefangenen sehr zufrieden. In der zweiten Halbzeit sei es dann auch deutlich besser gelungen, Chancen zu verwerten und das Mittelfeld zu überbrücken.
Hochachtung zollte den Häftlingen auch Manfred Schuster. Der 74-Jährige Betreuer der Traditionsmannschaft war voll des Lobes für das spielerische Können und dem Einsatz, der gezeigt wurde. Auch weil die Partie äußerst fair verlaufen ist. Seine Jungs würden immer wieder gerne die Einladung annehmen, gegen die Gefangenenmannschaft zu spielen. Das Ergebnis sei da Nebensache.
Die Gefangenen trainieren einmal die Woche Donnerstag für zwei Stunden. Im Sommer steht ihnen ein Rasenplatz dafür zur Verfügung, im Winter geht es in die Halle. Allerdings wurde das Training an den ganz heißen Tage in diesem Jahr abgesetzt. Am Samstag bestanden bei schönstem Sonnenschein dagegen keine Bedenken gegen die Partie.
Als einziger Wermutstropfen bleibt vielleicht: Zum Trikottausch hatten sich die Spieler der Traditionsmannschaft nicht überreden lassen. Die Gefangenen spekulierten auf neue Sportkleidung, denn ihre Mannschaftstrikots sind zehn Jahre alt. Aber vielleicht klappte das ja im nächsten Jahr, bei der zwölften Auflage der Partie.