Saarländisches Wahlrecht
Saarbrücken. Bei der Landtagswahl im Saarland dürfen die Wahlberechtigten auf dem Stimmzettel nur ein Kreuzchen machen: Mit der einen Stimme wird gleichzeitig die Landesund eine der drei Wahlkreislisten einer Partei gewählt. Damit ist das Saarland bundesweit besonders: Es ist das einfachste Wahlrecht aller Landtagswahlen, weil es kein Zweistimmenwahlrecht wie in fast allen anderen Bundesländern ist, bestätigt der stellvertretende Landeswahlleiter Andreas Bittner. Im Saarland gilt die reine Verhältniswahl. Auch in Baden-Württemberg hat jeder Wähler nur eine Stimme, dort gibt es aber Ausgleichsmandate. (dpa) Berlin. Es ist das kleinste Flächenland der Republik, doch an diesem Sonntag schaut ganz Deutschland auf das Saarland. Die Landtagswahl ist der unerwartet spannende Auftakt des Superwahljahrs. Und der erste Testlauf des SPD-Vorsitzenden Martin Schulz. Der Wettkampf zwischen CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrer SPD-Herausforderin Anke Rehlinger, die bisher in einer großen Koalition zusammen regieren, hat Folgen für die Stimmung im Bund. In den vier Umfragen der letzten zehn Tage lag die Union mit 35 bis 37 Prozent vor der SPD mit 32 bis 34 Prozent. Dennoch könnte die CDU die Macht verlieren. Kleines Land, große Wirkung: Für wichtige Spitzenpolitiker steht am Sonntag viel auf dem Spiel.
Angela Merkel: Die Saar-Wahl wird für die Kanzlerin zum Fernduell. Die Abstimmung wird zeigen, wie gefährlich ihr Herausforderer Martin Schulz wirklich ist. Bis Schulz Ende Januar zum SPD-Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde, sah die CDU im Saarland wie der sichere Wahlsieger aus. Nach letzten Umfragen könnten die Christdemokraten trotz Stimmenvorsprungs das Ministerpräsidentenamt nach 18 Jahren an die SPD verlieren. Die Union würde dann nur noch in vier von 16 Ländern den Regierungschef stellen. Das wäre ein schlechter Auftakt des Bundestagswahljahrs, zumal die CDU bei den folgenden Wahlen in den rot-grün regierten Ländern Schleswig-Holstein und NRW im Mai nur begrenzte Erfolgsaussichten hat.
Entsprechend gereizt ist die Stimmung in der Union: Bei CDU und CSU rüsten Gegner der Kanzlerin zur großen Merkel-Abrechnung ab Montag. Andere Unionsleute dürften darauf drängen, früher als geplant in den Bundestagswahlkampf einzusteigen. Merkel ist besonders verwundbar, weil Spitzenfrau Kramp-Karrenbauer eine enge Vertraute ist, schon als „Kronprinzessin“gehandelt wurde. Es könnte ungemütlich werden. Muss es aber nicht. Denn noch ist alles offen, auch ein MerkelTriumph ist denkbar: Wird die CDU im Saarland so stark, dass an einer großen Koalition nichts vorbeiführt, wäre das Rückenwind auch für die Kanzlerin.
Martin Schulz: Für den SPDChef ist die Wahl an der Saar der erste Test, ob der „Schulz-Effekt“belastbar ist. Nach den Umfragen hat die SPD im Saarland seit der Nominierung von Schulz als Kanzlerkandidat um acht, neun Prozentpunkte zugelegt. SPD-Spitzenkandidaten Anke Rehlinger (40) könnte dennoch nur in einer Koalition mit der Linken oder mit Rot-RotGrün Ministerpräsidentin werden. Festgelegt hat sie sich nicht, aber der Druck zum Koalitionswechsel wäre bei entsprechender Mehrheit wohl groß.
Schulz hat dieser Option schon sehr deutlich seinen Segen gegeben und erklärt, diese wäre „nichts besonders Überraschendes“. Eine Nebenwirkung aber wäre unvermeidlich: Bisher lehnt Schulz für den Bund jede Koalitionsaussage ab – RotRot im Saarland würde da als Fingerzeig verstanden, die Koalitionsdebatte wäre kaum zu verhindern. Die Union würde zu den weiteren Wahlen mit der Warnung vor einem „Linksruck“Anhänger mobilisieren.
Kramp-Karrenbauer:
Oskar Lafontaine: Er regierte 13 Jahre als Ministerpräsident im Saarland. Für Lafontaine, der als SPD-Chef hinwarf und die Linkspartei mitgründete, könnte die Landtagswahl zur späten Versöhnung mit den Sozialdemokraten werden: Im Saarland will der 73-Jährige das erste rotrote oder rot-rot-grüne Bündnis in Westdeutschland schmieden und der SPD zur Rückkehr an die Macht verhelfen. „Der Regierungswechsel ist greifbar nahe“, sagt Lafontaine, der kein Ministeramt anstrebt. Es ist wohl Lafontaines letzte Chance: 2012 hatte die Linke im Saarland 16,1 Prozent eingefahren, diesmal werden 12 Prozent erwartet.
Simone Peter: Für die GrünenBundesvorsitzende und ihre Partei wird die Wahl zur Zitterpartie. Womöglich verpassen die Grünen den Sprung über die Fünfprozenthürde. Im Saarland ist die Partei traditionell schwach, aber diesmal hat auch der Rückenwind aus Berlin gefehlt. Gegen die Schulz-Euphorie im linken Milieu kommen die Grünen nicht an. Für die 51-jährige Peter ist das doppelt bitter: Sie hat ihre politische Basis im Saarland, hier war sie einst Umweltministerin.