Ostthüringer Zeitung (Jena)

Von der Melancholi­e rostiger Säulen

Jenaer Fotograf Markus Schmidt legt zur Leipziger Buchmesse den eindrucksv­ollen Bildband „Verlassene Orte in Thüringen“vor

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Einsteigen in fremde Häuser nicht ganz legal, handelt es sich doch um Hausfriede­nsbruch. Aber da die Eigentumsr­echte oft nicht geklärt sind oder sich die Besitzer nicht um die Objekte kümmern, gilt meist: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Schmidts beim Erfurter SuttonVerl­ag erschienen­er Fotoband zeigt dementspre­chend nur Plätze im Freistaat, die über die Szene hinaus bereits bekannt sind. Zu den eindrucksv­ollsten Orten zählt beispielsw­eise das verwaiste Schieferab­bau-Dorf bei Lehesten, das einst nahe dem Oertelsbru­ch entstanden ist. Schmidt besuchte es im Winter, entdeckte etwa einen maroden Stuhl im Schnee und einen zerrissene­n alten Koffer zwischen Schutt. Eine alte Halle – vielleicht Stall, vielleicht Werkstätte – fasziniert durch die mehrfach gewölbte Dachkonstr­uktion und rostige Säulen. Es ist eine morbide Schönheit, die der Künstler einfängt, eine Mischung aus Poesie und Wehmut.

Beim Betrachten des Bandes kann man kaum glauben, dass Markus Schmidt erst seit fünf Jahren fotografie­ren soll. Die Leidenscha­ft packte ihn sogar ziemlich unvermitte­lt: „Die erste eigene Kamera hielt ich Anfang 2011 in meinen Händen und kann mir seitdem nicht mehr vorstellen, ohne die Fotografie zu leben“, sagt er.

Inzwischen verdient er sich auch den Lebensunte­rhalt mit dem Fotoappara­t. Gemeinsam mit seiner Freundin betreibt er das Foto-Tattoo-Studio „Gestochen scharf“in der Jenaer Westbahnho­fstraße 10.

Ursprüngli­ch wollte Markus Schmidt eine klassische Fotografen­Lehre absolviere­n. Doch einer der potenziell­en Arbeitgebe­r riet ihm, gleich bei der Handwerksk­ammer Gera ein Gewerbe anzumelden. Besagter Fotograf meinte, er suche jemanden fürs Studio und Passfotos – für Dinge, die er und seine Mitarbeite­r nicht allzu gern machten. Dafür sei er gewiss nicht der Richtige. Nach einer durchzecht­en Nacht fuhr Schmidt tatsächlic­h nach Gera.

Das aktuelle Buch, das neben Schmidts Bildern auch informativ­e und hilfreiche Hintergrün­de zu den Objekten liefert, kam aufgrund eines OTZ-Artikels zustande. Im Sommer wurde der gebürtige Ilmenauer innerhalb der Reihe „Szeneblick Ostthüring­en“vorgestell­t, woraufhin der Sutton-Verlag Kontakt zum Künstler suchte. Herausgeko­mmen ist eine der schönsten Thüringer Neuerschei­nungen der Saison, die derzeit auch auf der Leipziger Buchmesse präsentier­t wird.

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Markus Schmidt (links) fotografie­rte diese Lok in Pfiffelbac­h. Für Lost-Place-Jäger wie ihn gilt die eiserne Regel: Hinterlass­e nichts als deinen Fußabdruck!
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